Landtagsbau: Grundsteinlegung wird zum Fehlstart für das wichtigste Bauprojekt des Landes / Jauch fehlte
Selbst aus der Prignitz waren Menschen angereist, um den Baustart ihres Landtagsschlosses zu erleben. Die Reise hätten sie sich sparen können.
Transparenz und Bürgernähe enden gestern Mittag bei Herrn Ullmann. Herr Ullmann ist ausweislich seines Namensschildes fürs Protokoll des Landtages zuständig, das heißt, er ist an diesem historischen Tag Prellbock des Bürgerzorns und versichert sich daher der Gesellschaft eines Quartetts breitschultriger Wachschützer in neonfarbenen Warnwesten. Denn zur Grundsteinlegung des Landtages darf nur, wer eine der 400 Einladungen hat.
Es geht um jenen Landtag, der, so erklärt es der Ministerpräsident den Auserwählten hinter dem blickdichten Zwei-Meter-Zaun, „hier unten auf Augenhöhe mit dem Bürger“ sein will. „Ein beschissenerer Start is ja wohl kaum denkbar“, findet ein älterer Herr vor der Absperrung. Es ist noch das freundlichste, was sich Herr Ullmann und seine Vierschröter mit humorlosem Gesichtsausdruck anhören müssen. „Frechheit“, „unverschämt bis zum Geht-Nicht-Mehr“, „Verbrecher da drin“, tönt es aus allen Richtungen. Lautes Grummeln, als die Spitze der Linkspartei samt ihrem Finanzminister und Schlossbauherren Helmuth Markov passieren darf. „Diese Leute haben mit aller Kraft gegen das Schloss gekämpft. Jetzt trinken sie auf Steuerzahlerkosten Sekt, und die Bürger, die dafür kämpften, stehen draußen und frieren“, schimpft jemand. Linksfraktionschefin Kerstin Kaiser ist das sichtlich unangenehm. „Ich habe nie für diesen Landtag gestimmt“, sagt sie, ohne anzuhalten. Sozialminister Gunter Baaske (SPD) murmelt etwas von „Sicherheit“ und „mal sehen, was sich machen lässt“. Zu sehen ist von ihm fortan nichts mehr. Auch die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein (SPD) findet die Sperre „unsäglich“. Sie verstummt, als jemand fragt, ob die SPD Angst vor dem Volk habe. „Die wollen kein Prekariat und keinen Pöbel“, sagt einer aus der Prígnitz. Landtagsarchitekt Peter Kulka schüttelt den Kopf: „Man kann die Menschen mitnehmen oder nicht. Ich bin für mitnehmen.“
Der Bürgerprotest ist Wasser auf die Mühlen von Barbara Kuster. Die Schlosslobbyistin ohne Einladung zelebriert ihr Ausgesperrtsein: Demonstrativ trägt sie ein Fernglas vor sich her, um die Distanz der Regierung zu den Bürgern zu verdeutlichen. Es fruchtet: „Was? Sie sind nicht drin? Eine Schande!“ – das hört Kuster bestimmt 20 Mal.
Die Wut vor dem Tor macht resigniertem Sarkasmus Platz, als klar wird, dass die Zeremonie begonnen hat. „Vielleicht reicht der Sekt ja nicht für alle“, sucht jemand nach einer Begründung.
Herr Ullmann zieht sich mit zwei seiner Warnwesten zurück. Als der dritte Wachmann abrückt, planen die Ausgesperrten im Scherz den Durchbruch. „Gehen Sie sich doch mal aufwärmen, wir warten auch allein draußen“, ruft jemand dem verbliebenen Wachschützer zu. Kollektives Gelächter. Der Mann bleibt ernst. Irgendwer entdeckt das Schild, auf dem steht, dass das Gelände von scharfen Wachhunden gesichert werde. „Überlebende werden strafrechlich verfolgt“, steht darauf. Das finden die Umstehenden an diesem Tag nur begrenzt lustig.
Mittlerweile ist der Grundstein gelegt, und auf dem Weg zu den Häppchen läuft die Prominenz in Sichtweite zum Tor vorbei. Als Platzeck kommt, sind die „Heuchler“-Rufe so laut, dass er sie unmöglich überhören kann. „Der soll es nicht wagen, sich rauszureden. Er ist der Ministerpräsident“, ruft eine Dame mit hochrotem Kopf. „Lass doch“, sagt ihr Mann und legt beschwichtigend die Hand auf ihren Unterarm: „Wir hätten nicht kommen sollen, sondern Mittagsschlaf halten.“ Er zieht sie sanft mit sich. Für die Bürger gibt es an diesem Tag nichts mehr zu sehen.
Im Partyzelt ist der Fehlstart für das wichtigste Bauprojekt des Landes inzwischen aufgefallen. Es läuft die Suche nach dem Schuldigen. Oppositionsführerin Saskia Ludwig (CDU) ist aus Protest erst gar nicht gekommen. Der Linken-Landtagsabgeordnete Hans-Jürgen Scharfenberg kritisiert den eigenen Genossen Finanzminister: „Ich habe schon vor Wochen gesagt, man darf sich bei einem so symbolträchtigen Akt nicht einigeln.“ Markov war als Bauherr der Einladende. Er beteuerte gestern, man könne aus Sicherheitsgründen kein Volksfest auf einer Baustelle veranstalten. Damit hat er sich dem Regime des Baukonsortiums Bam Deutschland AG unterworfen. „Auf 100 Grundsteinlegungen habe ich so etwas nicht gesehen. Wenn einer in die Grube stürzt, zahlen wir die Rente bis zum Schluss“, sagt Bam-Vorstandschef Alexander Naujoks. Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) sagt, er hätte den erfreulichen Anlass trotzdem lieber mit den Potsdamern gefeiert.
Einer war wieder eingeladen und ist wieder nicht gekommen. Günther Jauch, der Spender des Fortunaportals. Er habe nicht einmal geantwortet, sagt Markovs Sprecherin Ingrid Mattern. Der Potsdamer TV-Moderator hat nach den Querelen um den Schlossbau für sich entschieden: Du investierst nur noch in Menschen, nicht mehr in Steine. Die Kinder im Hilfsprojekt „Arche“ danken es ihm.
(Mit Volkmar Klein)
Erschienen am 17.02.2011
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