Archiv für die Kategorie „Feature“

Händler, Tiere, Ackerbürger

Montag, 30. Juni 2008

Freizeit: Hunderte strömten trotz mäßigen Wetters in die Nauener Altstadt – sehr viele sogar kostümiert

Sie haben kein Glück in diesem Jahr, die Nauener bei ihren großen Festen: War schon das Altstadtfest im Mai von dicken Wolken überschattet, so galt es beim Ackerbürgerfest, mit Schauern und kaltem Wind zu leben.

NAUEN Es gibt erhebendere Momente im Leben eines Zwölfjährigen: Max steht am „Hau-den-Lukas“, er legt alle seine Kraft in den Hammer, es ist der zweite Schlag, er beißt auf die Unterlippe, presst die Augen zu Schlitzen zusammen, lässt den Hammer krachen, doch nein: Der Zeiger geht nicht über die erste von fünf Stufen hinaus: „Bettnässer“ steht da, und das ist nicht erhebend, wenn man zwölf ist und die Mädels im Halbkreis drumherum stehen. „Stell dir vor, es wäre dein Lehrer“, sagt der Schausteller, und ja, doch, im dritten Versuch kratzt der Zeiger doch fast an der zweiten Kategorie „Flitzpiepe“. Dann sagt der freundliche Herr auch noch „Ich zeig dir das mal“, nimmt den Hammer wie ein Spielzeug über die Schulter, am Oberarm bauen sich Muskelpakete auf, es kracht, der Zeiger schießt durch bis „Yippie Yeah Schweinebacke“, schlägt die Glocke, der Mann patscht Max auf den Kopf und sagt: „Ist doch gar nicht so schwer.“ Sowas können nur Erwachsene sagen. Sie können grausam sein, selbst wenn sie es gut meinen.

Es ist voll beim 4. Nauener Ackerbürgerfest, der Martin-Luther-Platz quillt über vor Menschen, zeitweise geht es nur im Schritttempo voran, und das, obwohl das Wetter den Nauenern schon wieder nicht wohlgesinnt ist: Gelegentliche Schauer und kräftige Windböen fahren in die Menge, doch niemand lässt sich vertreiben.

Vielleicht liegt das auch an der Mühe, die sich viele Besucher gegeben haben: Wer so lange an seinem Kostüm geschneidert hat, will es nun auch zeigen. Zeitweise flaniert fast die Hälfte der Gäste im historischen Gewand über den Luther-Platz. Bei den Nauener Heimatfreunden steht eine elegante Dame mit Schirm und versucht sich im Hobelhalten: Mit ausgestreckten Armen muss der Langhobel so lange wie möglich in die Luft gehoben werden – es gelingt ihr fast anderthalb Minuten lang. Ein Zuschauer kommentiert „Die hat Übung mit der Pfanne!“. Niemand lacht. Ihr Begleiter – Frack, Kordhose, gewienerte Stiefel – versucht es ebenfalls, muss aber nach knapp einer Minute aufgeben.

Hinter der Kirche schlummern zwei Kälbchen um die Wette, während ihre Bäuerin die Plagen und Freuden der Milchviehwirtschaft schildert und berichtet, dass eine Kuh 90 Liter Wasser und 40 Kilogramm Futter pro Tag braucht, um 30 Liter Milch zu geben.

Überhaupt, die Tiere: Zwei Stände weiter hat sich ein Frettchen eingekringelt und schläft so selig, dass selbst die Stupser der Kinder durchs Gitter es nicht aus seinen Träumen reißen. In einer Seitengasse zeigt sich die Alpaka-Familie von Joachim Kuntzagk von ihrer besten Seite: Olivia und Caral stehen in unverhohlenem Elternstolz um ihren zwei Monate alten Nachwuchs Otello, der das Besucherinteresse mutig aushält und sich sogar mal ein, zwei Schritte von Muttis Seite löst.

Zwischendrin bindet immer wieder das Bühnenprogramm die allgemeine Aufmerksamkeit: Kinder der Tanzschule Amanda versuchen sich im Schwanensee, der Sportverein bringt eine Modenschau auf die Bühne, und um 18 Uhr ist das Theaterstück des „Stadtgeflüster e.V.“ ein Höhepunkt des Programms.

Doch auch mitten im Trubel ist’s unterhaltsam: Jongleure und Fakire mischen sich unters Volk, wer mag, kann sich im Bogenschießen üben, es gibt Getränke und Naturprodukte, die Kinder reiten auf Eseln, die Männer versuchen sich im Erbsenschlagen, es riecht nach Grillwurst, nassem Hund und Eselhäufchen, doch das gehört zum mittelalterlichen Flair.

Auf dem Rückweg versucht es Max noch einmal – er hat sich Tipps geben lassen. Er kommt bis „SoapStar“, Stufe drei. Immerhin.

Erschienen am 30.06.2008

Eine noch unentdeckte Welt

Samstag, 28. Juni 2008

Einladung: Madagaskar hofft auf deutsche Besucher: Auf der Insel und in der Botschaft

Die Falkenseer sind stolz auf „ihre“ madagassische Botschaft. An diesem Wochenende dürfen sie einen Blick hinter die Mauern werfen. Anlässe dafür gibt es viele.

FALKENSEE Die Frage kam ganz beiläufig: „Mensch, Werner, du warst schon mal auf Madagaskar?“ Werner schaut irritiert auf seinen Begleiter, der vor einer Infotafel zur Tierwelt der Insel steht. „Nee, wieso?“ „Na da ist doch ein Foto von dir!“ Der Mann tippt auf die wenig schmeichelhafte Aufnahme eines Feuchtnasenaffen, der mit seinen großen Lemurenaugen etwas verschreckt in die Kamera blinzelt. Der Humor dieses Späßchens erschließt sich Werner nicht, und nein, Werner war wirklich noch nicht auf Madagaskar. Das ist nicht nur schade für ihn, sondern auch schade für die Insel, deren paradiesische Landschaft bislang nur von wenigen Touristen besichtigt wurde. Dem abzuhelfen, hat die madegassische Botschaft in Falkensee gestern und heute ihre Türen weit geöffnet. Das Land kann Touristen gut gebrauchen: es ist noch immer bitterarm, es zählt zu den zehn ärmsten Ländern der Erde. Gerade die Deutschen mit ihrer Naturliebe wären da hochwillkommen, sagt Fidy Raharimanana von der Entwicklungsgesellschaft Harson, der an diesen Tagen die Besucherfragen beantwortet. Die viertgrößte Insel der Welt hat auf 600 000 Quadratkilometern vom zentralen Hochplateau über 1600 Kilometer Küstenlinie, Reste tropischer Regenwälder, dicht besiedelte Städte und feuchte wie trockene Savannen einen immensen Landschaftsreichtum zu bieten.

Den Massentourismus suchen die Madagassen trotzdem nicht, denn das sensible Ökosystem – wegen der frühen Abspaltung von Afrika und Indien hat Madagaskar als Mikrokontinent eine eigene und weltweit einzige Flora und Fauna ausgebildet – würde das nur schwer verkraften. Der aus der Armut geborene Umweltfrevel hat schon jetzt den Bestand tropischer Regenwälder auf vier Prozent der ursprünglichen Fläche schrumpfen lassen, viele einzigartige Tier- und Pflanzenarten sind ausgestorben. Nicht nur wegen der Umwelt- und Naturschutzkompetenz sucht Präsident Marc Ravalomanana einen engen Kontakt zu Deutschland, wie Fidy Raharimanana betont: Die Verbindung beider Länder hat auch eine lange Tradition. Vor 125 Jahren schlossen Kaiser Wilhelm I. und die madagassische Königin einen Freundschaftsvertrag, dessen Jubiläum am Donnerstag gefeiert wurde, zusammen mit dem Tag des Endes der französischen Kolonialherrschaft vor 48 Jahren. Genug Gründe also zum Feiern und um die Tore zu öffnen. Der Besucherstrom gestern war schwach, aber stetig. „Wir haben auch nicht damit gerechnet, überrannt zu werden“, sagt Fidy Raharimanana mit einem Augenzwinkern, war aber ob des kontinuierlichen Kommens und Gehens der Falkenseer sehr zufrieden. Die meisten Besucher kamen zu Fuß aus der Nachbarschaft und wollten die Gelegenheit nutzen, mal hinter die Mauern und den hohen Eisenzaun zu blicken. Beim Geruch der Vanilleschoten (Madaskar ist der weltweit größte Produzent), des Kaffees und der Schokolade und beim Schwärmen über die Schönheit der Natur bekamen nicht wenige Lust, den „achten Kontinent“ zu besuchen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass auch Werner wirklich noch nach Madagasgar kommt – Feuchtnasenaffen hin oder her.

Erschienen am 28.06.2008

Wortlos verstehen

Dienstag, 3. Juni 2008

Soziales: Wege aus der akustischen Isolation / In Falkensee belegen Hörende einen Gebärdenkurs

Sie hören gut. Sie können auch sprechen. Dennoch erlernen jetzt in Falkensee 14 Männer und Frauen die Gebärdensprache, mit der sich Taube und Stumme verständigen.

FALKENSEE Es wird geschnattert an diesem Nachmittag, dass es eine wahre Freude ist. Mehr als ein Dutzend Leute unterhalten sich paarweise: Sie verabreden sich zum Kino, zum Schwimmen, zum Grillen. Trotzdem fällt kein einziger Ton im Raum. Es ist so still, dass der Lärm Fußball spielender Kinder, der durchs angeklappte Fenster fällt, deutlich hörbar wird. Denn die, die sich hier verabreden, tun das mit Gesten statt mit Worten:

Die 14 Teilnehmer eines Gebärdensprachkurses sind an diesem Nachmittag ins ASB-Kulturhaus Falkensee gekommen. Keiner von ihnen wäre auf die Handzeichen und das stumme, überdeutliche Worteformen mit den Lippen angewiesen, denn alle können hören und sprechen – bis auf den Kursleiter. Doch sie zahlen dafür, in zehn Sitzungen die Grundlagen der Gebärdensprache von Thomas Zander zu erlernen.

Die Motive sind unterschiedlich: Da ist ein Ehepaar – sie lebenslustig und laut, er verhalten und manchmal etwas irritiert: Das Hörvermögen des Mannes lässt stetig nach. Sollte er ertauben, soll die Kommunikation in der Familie weitergehen. „Da ist es leichter, ich lerne die Gesten, solange ich noch hören kann“, sagt der Mann.

Eileen ist gekommen, weil sie eine Ausbildung zur Heilpädagogin macht und möglicherweise mit Tauben oder Taubstummen arbeiten wird. Einige nehmen aus purem Interesse teil, eine Frau will einfach nur „eine ungewöhnliche neue Sprache lernen“, eine andere hat ein gehörloses Kind, mit dem sie sich besser verständigen möchte.

Tina ist hochgradig schwerhörig und zugleich Physiotherapeutin: Sie will sich selbst gegen das Schlimmste wappnen und zugleich auf taube oder schwerhörige Patienten besser eingehen können.

Und dann ist da Carola Szymanowicz, engagierte Streiterin für die Belange aller Schwerhörigen im Havelland, Leiterin der Selbsthilfegruppe „Kommunikation ohne Barrieren“, selbst fast ohne Gehör. Carola Szymanowicz beherrscht die hohe Kunst, Leid in Aktivität zu wandeln: Sie hat diesen ersten Kurs in Gebärdensprache für Hörende angeregt, beim ASB kostenlos einen Raum dafür bekommen, Teilnehmer aufgetrieben, den Dozenten engagiert, die Selbsthilfegruppe gegründet. Und sie plant weiter: einen Gebärdenklatsch, ein Sommerfest, einen Grillabend und eine Anlaufstelle für Gehörlose im Kreis. „Wir müssen Gehörlose aus der Isolation herausholen, der Machtlosigkeit entkommen“, sagt sie, „denn die zwischenmenschlichen Beziehungen gehen sonst verloren.“

Das ist schwer vorstellbar an diesem Nachmittag, wo sich alle ohne gesprochene Worte blendend verstehen, Spaß haben, lachen, Verabredungen treffen. Aber genau das ist es, was Carola Szymanowicz meint: Man braucht keine Rede, um eingebunden zu sein, Gebärden genügen. Nur ohne Kommunikation droht die Vereinzelung.

Dass es so munter zugeht im Kurs ist vor allem Thomas Zander zu verdanken. Der selbstständige Gebärdensprachdozent ist zugleich Geschäftsführer der Berliner Gebärdensprachschule „Visual Hands“ und seit 17 Jahren als Dozent unterwegs. Im Nebenjob arbeitet er als Pantomime-Clown – eine Aufgabe, die er von der des Sprachlehrers kaum trennen muss: Egal, was Zander tut, er tut es unglaublich beredt, spricht mit jeder Geste und mit jedem Zucken seines Gesichts, Humor kommt nie zu kurz.

In dieser Woche steht das Thema „Verabreden“ auf dem Stundenplan. Lektion 1: Die zeitliche Dimension. Zukunft sind Gesten, die vom Sprecher nach vorn wegweisen, Vergangenheit weist nach hinten. Zander muss nicht viel erklären: Das Prinzip verstehen alle sofort. Gegenwart zeigt nach unten: Hier stehe ich. Jetzt! Wochentage haben definierte Zeichen, die es zu lernen gilt. Uhrzeiten werden mit Fingern gezeigt, die nach vorn gekippte Hand bedeutet nachmittags, die nach hinten gekippte: vormittags.

Lektion 2: Der Ort. Gebäude werden mit zwei Händen als Dach geformt, andere Orte langsam ausgesprochen, schlimmstenfalls buchstabiert. Orte sind eben abstrakt.

Leichter wird es in Lektion 3: Was tun wir? Schwimmen, Grillen, Wandern lässt sich gut gestikulieren, Kino durch eine angedeutete Leinwand auch noch. Spätestens beim Einigen auf einen Filmtitel muss dann aber doch zum Buchstabieren übergegangen werden. „Keinohrhasen“ lässt sich zwar mit zugehaltenen Ohren und mümmelndem Mund verdeutlichen, aber das ist eher ein guter Gag für die Runde als eine pragmatische Lösung.

So verstreicht der Kurs im Nu, und nach einem enthusiastischen Winken ist Thomas Zander verschwunden. Nun wieder ihre Münder benutzend, verlässt die Gruppe fröhlich schnatternd den Raum. Carola Szymanowicz ist es zufrieden. Sie ist ihrem großen Ziel an diesem Tag etwas näher gekommen: Gehörlose in die Gesellschaft zu inkludieren, statt sie nur zu integrieren. Inklusion heißt für sie: keinen Unterschied machen. „Bei Integration entscheiden andere über uns. Das haben wir satt“, sagt sie.

Herrin über Pommes, Eis und Spritzpistolen

Montag, 19. Mai 2008

Freizeit: Verena Hundt versorgt Waldbadgäste in Falkensee mit allem, was sie beim Baden brauchen

FALKENSEE Irgend jemand muss vor längerer Zeit auf die wahnsinnig kreative Idee gekommen sein, den Imbiss im Falkenseer Waldbad „Schmatzinsel“ zu nennen. Ein Humor, der sich möglicherweise nur Kindern erschließt. Verena Hundt quittiert das nur mit einem Schulterzucken. „Das haben wir schon so vorgefunden“, sagt sie. Die Kinder, immerhin die Hauptklientel der Schmatzinsel, finden es aber lustig, sagt sie. Seit das Waldbad am Pfingstwochenende wieder seine Tore öffnete, steht Verena Hundt hinter dem Tresen. In der Schmatzinsel gibt es so ziemlich alles, was man zum Überleben in einem Bad braucht: Stieleis, Waffeleis, Lutscheis; kalte Getränke, Pommes und Schokolade; Bratwurst, Donuts hell und Donuts dunkel und natürlich Spritzpistolen – alles für kleines Geld. Zum Saisonstart hat der Betreiber gewechselt, und mit dem neuen Betreiber kam Verena Hundt, die erst seit wenigen Jahren in Falkensee wohnt. Das Waldbad findet sie „süß, geradezu idyllisch und supersauber“ und bedauert, dass nur so wenige Falkenseer es kennen würden. Mancher habe sich erst zufällig auf einem Spaziergang dorthin verirrt, haben ihr ihre Gäste erzählt.

Seit sie das weiß, wirbt Frau Hundt nach Kräften fürs Bad, auch wenn ihr das möglicherweise zusätzliche Arbeit einbringt. An den Wochenenden und bei schönem Wetter kommt sie ohnehin schon kaum hinterher, denn an der Friteuse, an der Kühltruhe und hinter der Kasse steht sie meist allein. „Wir warten erstmal ab, wie der Andrang ist. Wenn’s zu arg wird, kommt noch eine Aushilfe dazu“, sagt sie. Ohnehin sei ihr eine volle Bude lieber als Langeweile, auch wenn die sie manchmal zu dem Gedanken verführt, selbst kurz ins Wasser zu springen: „Aber Dienst ist halt Dienst.“

Mit den Kindern versteht sich Verena Hundt gut, die meisten seien freundlich und höflich, und wenn nicht, fällt der Frau, deren grüne Augen einen leuchtenden Kontrast zum roten Schmatzinselpulli und dem schwarzen Haar bilden, schon die passende Entgegnung ein. In jedem Fall sei es besser, wenn die Kinder zum Toben und Planschen kämen, statt zu Hause vor dem Computer oder Fernseher zu versauern. Und wenn sie dann genug getobt haben, ist ein Besuch in der Schmatzinsel ohnehin obligat.

Erschienen am 19.05.2008

Der Sommer ist eröffnet

Samstag, 17. Mai 2008

Freizeit: Offizielle Badesaison startet / Waldbad Falkensee seit Pfingsten offen / Solaranlage heizt das Wasser

Zum Saisonstart wartet das Waldbad mit einer Solaranlage auf, die das Wasser heizt. Schon in den ersten Tagen tummelten sich Hunderte im Bad.

FALKENSEE „Na toll“, sagt Markus, und in seiner Stimme liegt alle Resignation der Welt, „das kann ja ein Spaß werden“. Genau genommen war es schon ein Spaß: Der Spaß, ohne Sonnencreme einen Ferientag im Waldbad her umgetobt zu haben. Jetzt zeigt die Haut auf Markus’ Schultern einen Farbton, um den ihn selbst die Falkenseer Feuerwehr beneiden würde, an den ersten Stellen pellt es sich bereits. Am Morgen war er noch ganz munter: „Glück gehabt, wenig Sonne, trotzdem warm – dann ist es ja kein Problem, dass ich das Zeug vergessen hab“, rief der Zwölfjährige über den Platz. Das war ein Irrtum.

Es ist zeitweise wirklich etwas kühl unter den alten Eichen und Linden im Waldbad, so dass sich die rund 40 Kinder durch Herumtoben warm halten oder ins 24 Grad warme Wasser verschwinden, um sich aufzuwärmen. Dass das vermeintlich kühle Nass wärmer als die Luft ist, verdanken die Badegäste der neuesten Errungenschaft: einer Solaranlage, die die Kraft der Sonne nutzt, um das Badewasser auf Temperatur zu bringen. Hunderte Meter Schlauch liegen dazu auf den Dächern der Wirtschaftsgebäude. Durch eine Spezialfolie hindurch heizt die Sonne das Wasser auf, eine Umwälzanlage mischt den bis zu 30 Grad warmen Vorlauf dann dem Badewasser bei.

Davon profitieren zurzeit vor allem die frühen Schwimmer, die vor der Arbeit ein paar Runden durchs Becken kraueln oder die Schulklassen, die morgens zum Schwimmunterricht antreten. Wegen der noch kühlen Nächte mussten sie zuvor in 18 bis 20 Grad kalte Fluten steigen, nun lässt sich die Müdigkeit in 22 bis 24 Grad warmem Wasser etwas sanfter vertreiben – vorausgesetzt, die Sonne schien am Vortag.

Offiziell wurde die Anlage erst gestern abgenommen, in Betrieb war sie aber schon seit Donnerstag, dem Tag, an dem in Brandenburg offiziell die Badesaison eingeläutet wurde. Die letzten Handgriffe erledigten die Installateure somit während des laufenden Betriebes, denn das Waldbad öffnete am Pfingstsonnabend seine Pforten. Es war ein fulminanter Auftakt: Wegen des sommerlichen Wetters war das Bad am verlängerten Wochenende durchweg rappelvoll. Ab Dienstag ging der Ansturm dann trotz Ferien ein wenig zurück.

Es sind fast ausschließlich Kinder, die in der Ferienwoche tagsüber das Waldbad besuchen. Als gäbe es eine unsichtbare Schranke am Eingang, die niemanden über 13 Jahren hineinlässt – es sei denn, er käme mit Kindern oder Enkeln. So übt sich dann auch eine Großmutter im stilvollen Frösteln unter den Lüstern der Kastanien, während sie der Enkelin beim Planschen zusieht. Die Jugendlichen jedenfalls kommen offenbar erst später am Tag.

„Genau genommen kommen die sogar nicht“, sagt Bademeister Matthias Kwanka. Das Alkoholverbot, der frühe Badeschluss um 20 Uhr und der Umstand, dass das Waldbad weder abgelegen noch verborgen ist, lassen die wirklich coolen Jungs und Mädchen eher auf den Nymphen- oder den Falkenhagener See ausweichen. Zum Schaden des Waldbads ist das nicht: Trotz der Horden planschender Kinder sieht es dort außerordentlich gepflegt, ja fast idyllisch aus. „Und ein sicherer Badespaß ist es auch noch“, betont Matthias Kwanka. Zumindest, solange niemand die Sonnencreme vergisst.

Erschienen am 17.05.2008

Kratzen am Kohlrabi

Samstag, 10. Mai 2008

Esskunst: Karsten Kindler fertigt filigrane Wunderwerke aus gewöhnlichem Gemüse

Um eine Chrysantheme aus einem Kohlrabi zu befreien, braucht es Geschick, Konzentration und Hingabe. Doch der Aufwand lohnt, wie ein Nauener täglich beweist.

NAUEN Die chinesische Distel ist die schwerste. Ihre filigranen Strukturen bringen selbst hartgesottene, beherrschte asiatische Meister zum Fluchen. Nicht so Karsten Kindermann. Kindermann liebt seine chinesische Distel – auch wenn, so darf vermutet werden, selbst ihm nicht gleich jede gelang. Doch Kindermann ist ein Perfektionist am Messer, und je kniffliger die Aufgabe, desto konzentrierter und motivierter geht der Nauener zu Werke. Das Ergebnis bringt ihm regelmäßig viele „Ahs“ und „Ohs“ ein, und neben der Reputation des Restaurants, in dem der Koch arbeitet, hebt es auch den Pegel von Kindlers Taschengeldkasse, denn der 45-Jährige beliefert auf Wunsch auch private Feiern oder Firmen mit seiner essbaren Filigrankunst.

Die meisten und lautesten Entzückensrufe erntet Kindermann, wenn er, hochkonzentriert und etwas entrückt wirkend, auf der Grünen Woche die im Kohlrabi verborgenen Chrysanthemen oder die zartblättrigen Rosen aus dem Radieschen freilegt. Dort ist meist viel Trubel am Stand. Trubel, der den eher zurückhaltenden Kindermann fast schüchtern wirken lässt. Dann schiebt er das 32-teilige Spezialmesserset, das ein wenig an die Werkzeuge von Linolschneidern erinnert, und seine Werkstücke zwischen sich und die Welt. Karsten Kindermann tritt gern hinter seinen Werken zurück.

Wie jedes Kunstwerk, sind auch die Rettichrosen, die Ananasvasen, die Kohlrabitauben und das Zucchini-Laub von der Vergänglichkeit bedroht – nur schneller. Höchstens zwei Tage hält sich Kindlers Können, und auch das nur, wenn es feucht gehalten und kühl aufbewahrt wird. „Essen mögen sie das dann aber auch schon nicht mehr“, sagt der Nauener trocken. Deshalb fertigt er für jede Bestellung frisch am jeweiligen Tag. Lediglich an den Kürbissen kann der Besteller auch mal länger Freude haben. Aber eigentlich, sagt Kindler, ist das ja auch nicht der Sinn der Angelegenheit – die Vergänglichkeit gehört wie bei einer Eisskulptur dazu. Und echte Blumen halten schließlich auch nicht ewig.

Sein Erweckungserlebnis hatte Karsten Kindler vor zehn Jahren auf einer Lebensmittelmesse, wo der mehrfache Weltmeister Xiang Wang für sein Gemüseschnitz-Messerset warb. Schwer beeindruckt, versuchte Kindler zu Hause auf eigene Faust das nachzumachen. „Kann man vergessen“, lautete sein Fazit, und so importierte er sich zwei chinesische Lehrbücher, von denen er zwar kein Wort verstand, aber die Bilder studierte. So ging es schon besser, und nach mehreren Lehrgängen beim Meister – Kindler besuchte jeden Kurs, den Xiang Wang anbot – entwickelte er jene Perfektion, die selbst die asiatischen Profis mittlerweile anerkennen.

Dort, in Asien, hat das Gemüseschnitzen eine Jahrhunderte alte Tradition, es prägten sich verschiedene Stile aus. Die Chinesen etwa, erzählt Kindler, benutzen hunderte hochspezialisierter Werkzeuge, in Thailand hingegen wird nur mit dem Messer geschnitzt.

Karsten Kindler geht einen Mittelweg. In seinen Kursen, die er für Senioren oder anderweitig Interessierte anbietet, lehrt er nur jene Figuren, die auch mit dem Küchenmesser zu bewältigen sind, denn kaum jemand gibt mehrere hundert Euro für Spezialwerkzeug aus. Doch Filigranes wie seine Distel könnte er ohne Hilfsmittel nicht aus einem schnöden, runden Kohlrabi befreien.

Nach mehr als zehn Jahren Übung hat der Nauener nun so ziemlich alles geschnitzt, was die einschlägigen Bücher zeigen. Selbst Tiere sind keine echte Herausforderung mehr, weshalb Karsten Kindler vermehrt zu Eigenkreationen wie extravaganten Halloweenkürbissen oder exklusivem Gemüseschmuck für Themenbuffets übergeht.

Info: Tel. (03321) 83 58 46 oder (0177) 64 64 963

Erschienen am 10.05.2008

Einsamer Protest ohne Promille

Samstag, 3. Mai 2008

Gedenken. Mit Wodka wollten die Linken ans Kriegsende erinnern, doch es blieb bei Zitronenlimonade

Falkensees linke Jugend lud zur 24-stündigen Mahnwache auf dem Rathausvorplatz. Wegen polizeilicher Auflagen erwies sich das als kein leichtes Unterfangen.

FALKENSEE Es sollte ein Protest gegen Faschismus mit viel Promille werden: Wodka, Transparente, eine Mahnwache über Kerzen, um an das Kriegsende am 8. Mai 1945 und die Bücherverbrennung in Falkensee am 5. Mai 1933 zu erinnern. Kurz nach 15 Uhr am Freitag brennen aber nicht mal die Kerzen: Der Wind bläst sie immer wieder aus. Sebastian, Luise und ein dritter Mitstreiter von den Falkenseer „Socialists“ – Nachnamen werden hier ungern verraten – haben auf dem Rathausplatz am Denkmal der Opfer des Faschismus Position bezogen. Von weiteren Mitstreitern keine Spur, und statt der Wodkaflaschen kreisen Cola und Zitronenlimonade. „Auflage“ sagte Sebastian als Organisator schulterzuckend, die Versammlungsbehörde beim Landkreis hat Alkohol und Transparente verboten, auch das Campen auf dem Platz wurde nicht gestattet. Das verspricht eine kühle Nacht zu werden, und als es auch noch zu regnen beginnt, schrumpft das Häuflein kurzfristig auf zwei zusammen, die sich unter einem Schirm zusammendrängen. „Kein Wunder“, sagt Luise, „’ne Aktion ohne Musik, Alkohol und Transparente ist halt keine Aktion“, und Sebastian wärmt sich an der Erinnerung an letztes Jahr, als sie die Baracke des ehemaligen KZ-Außenlagers im Geschichtspark verhüllten. Ein dritter wendet ein, dass auch die Erinnerung an die Bücherverbrennung unter der Friedenseiche, deren Datum die Socialists recherchiert haben, ohne entsprechendes Schild „’bisschen schräg“ sei – „wie ein Museum ohne Erklärungstafeln“. Doch Auflage ist Auflage, Ordnungsstrafen mag hier niemand bezahlen, die linke Jugend protestiert und mahnt zur Not auch lautlos, frierend und mit Zitronenlimonade. Krawall überlässt man der Antifa, die allerdings, wie jemand einwirft, in Falkensee „eher ein Problem mit Alkohol als mit Nazis“ habe – der Mangel an Gegnern und Reibung schröpft offenbar nicht nur die Socialists. Die philosophieren derweil darüber, dass es in Falkensee eine gut organisierte Gegenöffentlichkeit gibt und Rechte daher kaum einen Fuß auf den Boden bekommen. Mit dem Himmel klart sich derweil auch die Stimmung im Protesttrio auf: Per Telefon melden drei Mitstreiter ihr Eintreffen an, und für 20 Uhr haben sich „Genossen von der Linken“ angemeldet.

Dann will Sebastian eine kurze Rede halten und etwas auf der Akustikgitarre spielen – trotz Musikverbots. Alles lässt er sich halt auch nicht verbieten. 24 Stunden, bis heute um 15 Uhr, soll die Mahnwache andauern. Die drei sind entschlossen, auszuharren. Mittlerweile brennen sogar die Kerzen. „Seht ihr, wird doch keine kalte Nacht“, ermuntert sich Luise und zieht den Kragen höher.

Erschienen am 03.05.2008

Eine halbe grüne Woche

Freitag, 2. Mai 2008

Landwirtschaft: Etwa 10 000 Besucher stürmten am ersten Tag die Brandenburgische Landesschau

Bis einschließlich Sonntag lädt die Brala zur Leistungsschau der märkischen Bauern ein. Mit dem gestrigen Auftakt startete sie verheißungsvoll.

PAAREN IM GLIEN Lina fand’s „’n bisschen öde“. In ihren weißen Reiterhosen und mit einer Cola in der Hand lehnte sie am Infostand. Mit dieser Einschätzung dürfte Lina unter den etwa 10 000 Besuchern am Eröffnungstag die Ausnahme gewesen sein. Aber sie litt auch unter zwei erschwerenden Bedingungen: Sie war von ihrem Gestüt abkommandiert, um Besucherfragen zu beantworten, und sie ist erst 15: „Ich interessiere mich vor allem für Jungs. Und für Pferde“, erklärte sie, halb entschuldigend. Zumindest an Pferden mangelte es auf der Brandenburgischen Landesschau (Brala) jedenfalls nicht – so wenig wie an anderem Getier.

Das begann gleich hinter dem Eingang mit dem Ferkelstreicheln beim Schweinezüchterverband und setzte sich im Zelt der Pferdezüchter, wo Lina lümmelte, nahtlos fort. Noch ein Zelt weiter, bei den Schweinezüchtern, ging es um Leistungsgenetik, große Gesäuge, Lebenstagzunahme, Muskelfleischanteil und Eber, deren Waschbrettbäuche gepriesen wurden. Wäre nicht ab und an eine Sau ausgebüxt und hätte mit Besucherhilfe und durch schnell mit Sitzbänken gebaute Gänge eingefangen werden müssen, man hätte glauben können, es ginge um Objekte.

Auf der Freifläche fuhren derweil Traktoren und andere Landmaschinen im Kreis, während der Moderator dem staunenden Publikum alles über Baujahre, Motorisierung und Einsatzzweck erzählte. Die Besucher standen dicht an dicht und fotografierten.

Bei den Schafzüchtern ließen sich die Brala-Gäste über die Unterschiede zwischen Skudde, Quessant- und Steinschaf aufklären und vertieften die soeben gewonnenen Erkenntnisse beim Beschauen und Probestreicheln der Rassen. Das Zelt war der vermutlich einzige Ort auf dem MAFZ-Gelände, wo sich jeder ungestraft anblöken ließ. Vor allem die Kinder hatten hier ihren Spaß – der vierjährige Justin ließ sich gar auf einen Wettstreit ein und blökte mit einem Lämmchen um die Wette.

Welchen Weg die Milch von der Kuh bis in den Joghurtbecher nimmt, ließ sich in der Milchhalle minutiös verfolgen: Von der Schwarzgefleckten über das Milchlabor bis zur Aufbereitung, Verpackung und dem Verkauf waren alle Stationen dort. Gleich am Eingang warb eine Kuh per Transparent für einen fairen Milchpreis: 40 Cent sollen es sein, forderte sie im Namen der Bauern.

Auf fairen Umgang dürfen künftig auch Legehennen hoffen: Ab Ende 2009 ist die Käfighaltung verboten. Landkost-Ei aus Bestensee feierte das mit einem Plakat und zeigte, welche Käfige dann überflüssig werden – und wie die neue Haltung aussieht. Dennoch reichlich beengt fühlten sich die Küken, die in der Geflügelhalle zum Streichelangriff der Kinder freigegeben waren. Letztere waren von der Möglichkeit, die flauschigen-gelben piepsenden Knäule zu schmusen, sehr angetan. Erstere eher weniger.
Doch sogar für Lina fand der erste, ereignisreiche Brala-Tag noch ein gutes Ende: Am Nachmittag stand sie mit einem jungen Herrn am Infostand – ebenfalls ein Reiter.

Erschienen am 02.05.2008

Leih-Omas dringend gesucht

Freitag, 25. April 2008

Soziales: Arbeiter-Samariter-Bund bringt omaferne Kinder und enkelarme Senioren zusammen

Für den Job wird heute Mobilität erwartet. Doch der Umzug zur Arbeit zerreißt Familien. Wunschgroßeltern können das abmildern.

FALKENSEE Manchmal ist es bei den Knobels ruhig. Zu ruhig. „Dann sitzen wir uns abends gegenüber und gucken uns ein bisschen blöde an“, sagt Wilfried Knobel. Die Runde lächelt, das irritiert Knobel. Ihm ist es sehr ernst: „Meine Frau ist auch so’n bisschen krank, aber wenn Kinder da sind, ist sie gesund“, fügt er hinzu. Fast klingt es verzweifelt: „Wir haben zwar vier eigene Enkel, aber die sind aus dem Alter raus, wo sie oft kommen. Deshalb sind wir hier“, sagt Wilfried Knobel und schaut erwartungsvoll in die Runde.

Die Runde im ASB-Kulturhaus ist an diesem Mittwoch auf stattliche 13 Mitglieder angewachsen. Damit hat selbst Koordinatorin Bettina Hegewald nicht gerechnet, weshalb eilig Stühle herangeschleppt werden. Vier Kinder nebst Eltern sind gekommen, um künftige Wunschgroßeltern zu beschnuppern, neben den Knobels sitzen drei weitere interessierte Mietgroßeltern da. Das ginge auf.

Doch es ist eher ein glücklicher Zufall: Der ASB verzeichnet wesentlich mehr Eltern, die nach ehrenamtlichen Omas und Opas suchen, als umgekehrt. Die Idee finden aber alle Anwesenden toll: Wegen der vom Arbeitsmarkt geforderten Mobilität verlieren viele junge Familien den engen Kontakt zu den Großeltern, und viele Großeltern bleiben zurück, wenn die Kinder samt Enkeln wegziehen müssen. Beide zusammenzubringen, ist daher eine naheliegende Idee.

Das findet auch Anke Dommerdich, die mit ihrer dreijährigen Tochter Paula („bin aber schon fast vier Jahre alt“) gekommen ist. Die Großeltern leben in Rostock, ihr Mann ist in der Woche unterwegs, da wünscht sie sich manchmal Unterstützung, einen Rat oder die Möglichkeit, Kummer loszuwerden. Die agile und freundliche Paula erobert indes die Herzen der Anwesenden.

Der fünfjährige Jan sieht seine Großeltern in Nordrhein-Westfalen gar nur zweimal im Jahr. Seine Eltern Heike und Dirk Bäcker wünschen sich deshalb freiwillige Großeltern, die sich idealerweise sogar in die Familie integrieren lassen. Soweit möchte die potenzielle Leihoma Ursula Matzies nicht gleich gehen. Sie geht im Juli in Rente und bietet sich zunächst als Aushilfe bei der Kinderbetreuung an. Mit dem sechs Monate alten Marc-Oliver, einem bildhübschen Mulatten mit riesigen Knopfaugen, hat sie sofort Freundschaft geschlossen und lässt ihn kaum noch von ihrem Arm. Mutter Dagmar Rachner-Nfor sieht das gern: Ihre Eltern sind tot, die anderen Großeltern des Kindes leben in Kamerun.

Koordinatorin Bettina Hegewald bittet nach der Vorstellung alle in die Frühlingssonne hinaus, um Kennenlernspiele zu absolvieren. Auch wenn alle Spaß daran haben – nötig ist das nicht mehr: Die siebenjährige Sandra führt längst Knobels Hund Chico stolz an der Leine, Marc-Oliver fühlt sich bei Ursula Matzies pudelwohl, Irene Marsch umwirbt die fast vierjährige Paula nach Kräften und Knobels stehen mit deren Mutter in Verhandlung. Kämen mehr Senioren, es könnte jedes Treffen so fröhlich unter der sinkenden Frühlingssonne enden. Und Knobels müssten sich abends nicht mehr ein bisschen blöde angucken.

Info: Interessierte melden sich beim ASB unter (03322) 28 44 25. Das nächste Treffen ist am 21. Mai, 15 Uhr.

Erschienen am 25.04.20008

Nur seine Frau ist resistent

Freitag, 11. April 2008

Ehrung: Michel Oldenburg aus Friesack gilt als „Deutschlands bester Verkäufer“

Wie ein Boulevardblatt mit viel Phantasie und sehr viel Verspätung einen Helden der Beratung erschuf.

DALLGOW–DÖBERITZ Wie es aussieht, kann Michel Oldenburg jedem einen Fernseher verkaufen. Nur seiner Frau nicht. Der ist mit technischen Argumenten nicht beizukommen. Ihr Gegenargument ist haushalterischer Natur: „Wir haben uns vor drei Jahren einen supertollen, teuren Fernseher gekauft. Wir brauchen keinen neuen.“ Vor drei Jahren. Bevor die flachen Fernseher den Markt eroberten, wie Oldenburg mit Leidensmiene betont. Manchmal hat es auch ein Fernsehrverkäufer nicht leicht.

Auf seiner Arbeit in einem Elektromarkt im Havelpark Dallgow läuft es hingegen blendend: Ein Berliner Boulevardblatt hat den Friesacker Michel Oldenburg diese Woche zu Deutschlands bestem Verkäufer erklärt. Wie es dazu kam, ist etwas verworren: Ende 2006 waren Testkäufer einer Computerzeitschrift in je einer Filiale der großen Elektromärkte in Deutschland unterwegs. Bei MediMax, Oldenburgs Arbeitgeber, suchten die Testkäufer die Dallgower Filiale auf, und fühlten sich dort so gut beraten, dass sie die Kette zum Sieger erklärten. Das Team war stolz, und schnell war auch klar, wer den Testkäufer beraten hatte: Michel Oldenburg. Als besten Verkäufer sah er sich deshalb aber nicht. „Jeder meiner fünf Kollegen hätte das genau so gemacht“, sagt er. So war er nicht wenig erstaunt, als das Boulevardblatt bei ihm klingelte. Seitdem ist Oldenburg eine kleine Berühmtheit. Er wird beim Mittagessen angesprochen, von Kunden, und auch die übrige Presse ist auf ihn aufmerksam geworden: ein Fernsehteam hat sich angemeldet, auch die hauseigene Mitarbeiterzeitschrift will ein Interview. Soviel Trubel hat Michel Oldenburg noch nicht erlebt, und dass, obwohl er schon seit 13 Jahren im Havelpark arbeitet. Momentan jedenfalls genießt er seine etwas unfreiwillige Berühmtheit, die ihn ja auch nicht grundlos ereilte: Der Verkäufer berät mit Leidenschaft, er entzaubert auch mal Marketingfloskeln, und wenn ein Kunde mit dem neuen Gerät nicht klarkommt, lotst er ihn am Telefon durch die Bedienung. Schließlich kommen zufriedene Kunden wieder, und Verkäufer bei MediMax erhalten bei jedem Kauf eine Provision. Sollten seine Einnahmen durch die neue Berühmtheit demnächst steigen, wer weiß, vielleicht reicht es dann auch bei ihm zu einem Flachbildfernseher. Haushalterische Argumente hin oder her.

Erschienen am 11.04.2008


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