Das war er also, der Sommer. Also vorerst natürlich, wir wollen ja nicht wieder in Verdacht geraten, nur Schlechtes mitzuteilen, wie uns ein Leser diese Woche vorwarf. Natürlich kommt noch gaaanz viel Sommer dieses Jahr, aber notfalls können wir schon jetzt sagen: Wir hatten doch da diese eine Woche im Mai, wenn wir uns Mitte Juli in Wintermänteln auf dem Luisenplatz begegnen, und irgendwer wird dann in seiner Erinnerung kramen und sagen: Stimmt, da war was.
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Wobei das ja ohnehin alles ungerecht ist, das fängt schon bei der Sprache an: „Der Sommer kommt”, titelten wir und andere, und die Vorfreude war unüberhörbar. Der Sommer darf also kommen, wann er will, er ist stets willkommen. Der Winter hingegen bricht immer ein, jedenfalls im Journalistensprech, und das klingt stets so, als müsse jetzt doch endlich mal jemand zur Staatsanwaltschaft rennen und ihn für diesen hinterlistigen Einbruch anzeigen. Macht komischerweise aber niemand. Jedenfalls lässt sich selbst im Archiv von Deutschlands größer Nachrichtenagentur nichts finden. Und die sind normalerweise um keine Skurrilität verlegen.
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Hätte der Sommer einen Vornamen, dann lautete er vermutlich Mia, Emma oder Hanna, wie wir diese Woche erfuhren — das sind 2014 die beliebtesten Mädchennamen. Wird der Sommer richtig männlich heiß, dann Ben, Luis oder Finn. Der Winter indes, er wird wohl immer Kevin oder Justin heißen, jedenfalls einen Vornamen tragen, von dem pädagogisches Fachpersonal behauptet, das sei kein Name, sondern eine Diagnose. Fast könnte man daher Mitleid mit ihm bekommen, dem Winter, denn soziale Ausgrenzung ist ja auch alles andere als lustig, wie uns ein Professor diese Woche im Interview verriet. Respekt, da haben sich Jahre der Forschung aber mal wieder gelohnt. Da staunt selbst die Kita-Betreuerin, und auch Lehrer und Eltern wundern sich.
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Ist der Ruf aber erstmal ruiniert, dann kommt man — ein schlechtes Wortspiele sei erlaubt — auf keinen grünen Zweig mehr als Jahreszeit. Winter, da schwingt Gefahr mit: Eisglätte, Einbrechen auf Seen; Kreuzbandrisse, bloß weil Opi es auf der schwarzen Piste noch mal wissen wollte; nicht zu vergessen die Nachwirkungen von Jagertee auf Leber und Milz. Als ob der Sommer besser wäre: Hitzekollaps, Tauwetter für Dicke, von den Pollen würden wir gern schweigen, aber das ginge im redaktionellen Wettniesen unter; die frisch belaubten Äste fallen herunter und verletzten Radfahrer oder beschädigen Autos. Von den visuellen Schäden mal ganz abgesehen, denn alles über 30 Grad bringt gnadenlos ans Licht, was der Wintermantel gnädig deckte, von A wie Steißtattoo bis Z wie Orangenhaut. Modesünden sind da noch nicht mal eingerechnet. Auf einer Baustellenbesichtigung waren diese Woche 18 Männer, davon alle in modepolizeilich streng verbotenen Kurzarmhemden. Nur der Baudezernent bewies Stil und hatte, wie es der Gentleman-Guide fordert, gekrempelt.
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Dass zuviel Hitze das Gehirn erweicht, ist zwar Volksmund, aber ab einer gewissen Temperatur zumindest auch wissenschaftlich der Wahrheit nahe kommend. Den Beweis trat am Freitag ein Redner bei einem Richtfest an. Der Mann stand in der prallen Sonne — 32 Grad — und wiederholte 40 Minuten lang, wem er dankte: Den Bauarbeitern zuvörderst, denn ohne die ginge es ja nicht (Wirklich?), den Banken zunächst, denn ohne die könne man die Bauarbeiter nicht bezahlen (Tatsache!) und schließlich den Käufern, die dafür sorgten, dass man die Schulden bei der Bank wieder loswürde (Endlich erklärt’s mal einer.) Das wäre an sich ja noch „soweit, so üblich” gewesen. Doch der Mann wiederholte diesen Dank exakt vier mal, nur mit geringfügig veränderter Wortwahl, aber jedesmal etwas sächselnder, während vor ihm das Publikum und das Eis schmolz, der Champagner erste Hitzeblasen warf und die frisch gegrillten Scampi und Rinderfilets erkalteten. Da kann man nur hoffen, dass der Herr Justin oder Kevin hieß und sich mit früher sozialer Ausgrenzung herausreden kann.
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