Archiv für die Kategorie „Glosse“

Falsches Aroma

Samstag, 31. Mai 2014

Die Geschichte von Hofhunden und Briefträgern ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Man trägt sich gegenseitige Revierverletzungen und Bisswunden nach. Dabei liegt die Lösung dieses scheinbar aussichtslosen Konflikts seit einigen Tagen nahe: Es gibt, wie wir gelernt haben, am Brandenburger Tor ein Café, das neben Eis für Menschen auch Eis für Hunde anbietet. Ausweislich unserer Mitarbeiterin, die es todesmutig testete — vorsichtshalber in der Version ohne Knochensplitter — schmeckt es „süß und bananig”. Das scheint knapp an der Zielgruppe vorbeigeplant. Auch ohne Hundebesitzer zu sein (schade, schluchz), ist doch klar, dass Bello, Hasso und Wauzi die Geschmacksrichtungen Nachbars Katze, Postbote und alter Lederfußball eindeutig bevorzugen würden. Wenn Ihnen also demnächst ein Brief- bote mit einer Kühlbox auf dem Fahrrad auffällt, dann hat der vermutlich kein Getränk gegen die Sommerhitze dabei, sondern begriffen, wie er sich vor Bisswunden schützt. Daruff ein Wuff.

Sommer wird aber auch überbewertet

Samstag, 24. Mai 2014

Das war er also, der Sommer. Also vorerst natürlich, wir wollen ja nicht wieder in Verdacht geraten, nur Schlechtes mitzuteilen, wie uns ein Leser diese Woche vorwarf. Natürlich kommt noch gaaanz viel Sommer dieses Jahr, aber notfalls können wir schon jetzt sagen: Wir hatten doch da diese eine Woche im Mai, wenn wir uns Mitte Juli in Wintermänteln auf dem Luisenplatz begegnen, und irgendwer wird dann in seiner Erinnerung kramen und sagen: Stimmt, da war was.

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Wobei das ja ohnehin alles ungerecht ist, das fängt schon bei der Sprache an: „Der Sommer kommt”, titelten wir und andere, und die Vorfreude war unüberhörbar. Der Sommer darf also kommen, wann er will, er ist stets willkommen. Der Winter hingegen bricht immer ein, jedenfalls im Journalistensprech, und das klingt stets so, als müsse jetzt doch endlich mal jemand zur Staatsanwaltschaft rennen und ihn für diesen hinterlistigen Einbruch anzeigen. Macht komischerweise aber niemand. Jedenfalls lässt sich selbst im Archiv von Deutschlands größer Nachrichtenagentur nichts finden. Und die sind normalerweise um keine Skurrilität verlegen.

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Hätte der Sommer einen Vornamen, dann lautete er vermutlich Mia, Emma oder Hanna, wie wir diese Woche erfuhren — das sind 2014 die beliebtesten Mädchennamen. Wird der Sommer richtig männlich heiß, dann Ben, Luis oder Finn. Der Winter indes, er wird wohl immer Kevin oder Justin heißen, jedenfalls einen Vornamen tragen, von dem pädagogisches Fachpersonal behauptet, das sei kein Name, sondern eine Diagnose. Fast könnte man daher Mitleid mit ihm bekommen, dem Winter, denn soziale Ausgrenzung ist ja auch alles andere als lustig, wie uns ein Professor diese Woche im Interview verriet. Respekt, da haben sich Jahre der Forschung aber mal wieder gelohnt. Da staunt selbst die Kita-Betreuerin, und auch Lehrer und Eltern wundern sich.

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Ist der Ruf aber erstmal ruiniert, dann kommt man — ein schlechtes Wortspiele sei erlaubt — auf keinen grünen Zweig mehr als Jahreszeit. Winter, da schwingt Gefahr mit: Eisglätte, Einbrechen auf Seen; Kreuzbandrisse, bloß weil Opi es auf der schwarzen Piste noch mal wissen wollte; nicht zu vergessen die Nachwirkungen von Jagertee auf Leber und Milz. Als ob der Sommer besser wäre: Hitzekollaps, Tauwetter für Dicke, von den Pollen würden wir gern schweigen, aber das ginge im redaktionellen Wettniesen unter; die frisch belaubten Äste fallen herunter und verletzten Radfahrer oder beschädigen Autos. Von den visuellen Schäden mal ganz abgesehen, denn alles über 30 Grad bringt gnadenlos ans Licht, was der Wintermantel gnädig deckte, von A wie Steißtattoo bis Z wie Orangenhaut. Modesünden sind da noch nicht mal eingerechnet. Auf einer Baustellenbesichtigung waren diese Woche 18 Männer, davon alle in modepolizeilich streng verbotenen Kurzarmhemden. Nur der Baudezernent bewies Stil und hatte, wie es der Gentleman-Guide fordert, gekrempelt.

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Dass zuviel Hitze das Gehirn erweicht, ist zwar Volksmund, aber ab einer gewissen Temperatur zumindest auch wissenschaftlich der Wahrheit nahe kommend. Den Beweis trat am Freitag ein Redner bei einem Richtfest an. Der Mann stand in der prallen Sonne — 32 Grad — und wiederholte 40 Minuten lang, wem er dankte: Den Bauarbeitern zuvörderst, denn ohne die ginge es ja nicht (Wirklich?), den Banken zunächst, denn ohne die könne man die Bauarbeiter nicht bezahlen (Tatsache!) und schließlich den Käufern, die dafür sorgten, dass man die Schulden bei der Bank wieder loswürde (Endlich erklärt’s mal einer.) Das wäre an sich ja noch „soweit, so üblich” gewesen. Doch der Mann wiederholte diesen Dank exakt vier mal, nur mit geringfügig veränderter Wortwahl, aber jedesmal etwas sächselnder, während vor ihm das Publikum und das Eis schmolz, der Champagner erste Hitzeblasen warf und die frisch gegrillten Scampi und Rinderfilets erkalteten. Da kann man nur hoffen, dass der Herr Justin oder Kevin hieß und sich mit früher sozialer Ausgrenzung herausreden kann.

Diskriminiert

Samstag, 12. April 2014

Diskriminierung ist zweifellos böse — egal, ob Frauen, Homophile, Ausländer, Andreas Menzel oder andere Minderheiten betroffen sind. Dem abzuhelfen, wurde die politische Korrektheit erfunden, und, eng mit ihr verschwistert, die gerechte — vor allem geschlechtergerechte — Sprache. Wie mit allem Guten lässt es sich aber auch hier trefflich übertreiben. So erreichte uns diese Woche ein Schreiben einer evangelischen Einrichtung, in der von „Kindern und Kinderinnen” die Rede war. Das man jetzt schon neutrale Substantive gendert („dschändert”), war selbst uns Sprachverhunzungsgeplagten neu. Dagegen war die ebenfalls erwähnte „Christen- und Christinnenheit” fast harmlos. „Christenheit” ist ja wenigstens männlich. Also grammatisch gesehen.

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Bei aller sonstigen berechtigten Kritik an der Boulevardzeitung mit den vier großen Buchstaben — dass sie sich nicht um Diskriminierung verdient machte, kann man ihr kaum vorwerfen. Dass sie es mit der Sprache aber nicht so hat, schon. Da wurden diese Woche auf der Titelseite „Kinder zu Tode gemeuchelt”. Das hat uns dann doch ein wenig überrascht, wusste doch schon Konrad Duden, dass Meucheln für „heimtückisch ermorden” steht. Zu Tode meucheln wäre dann quasi zu Tode ermorden. Das erscheint uns seltsam überflüssig, speziell bei einer Zeitung, die an allem anderen spart — inhaltlicher Substanz, Wahrheit, Bekleidung der abgebildeten „Models” und Text. Nur mit der Größe von Fotos und Überschriften ist sie freigiebig.

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Freigiebig zeigte sich auch jener Herr in Kleinmachnow, der am Mittwoch einem Autofahrer erst sein Handy und dann noch sein Portemonnaie, seine EC-Karte und den Personalausweis gegen die Frontscheibe warf, die dabei glatt zerbarst. Grund des Wutanfalls war nach eigenen Angaben der schlechte Empfang. Das lässt drei Fragen offen: Wird der Empfang besser, wenn man das Handy mit der Autoantenne verbindet? Flog das Portemonnaie hinterher, weil der Herr sich um die Schadensregulierung bemühen wollte? Und wieso spricht der Polizeibericht von einem Unbekannten, wenn doch auch der Personalausweis gegen den Audi prallte? Bewiesen ist mal wieder nur eines: Wo Geld ist, kommt Geld hinzu. Da fährt das Opfer schon einen Audi und bekommt auch noch Handy, Geld und EC-Karte geschenkt. Na gut, und einen Riss in der Frontscheibe. Der Werfer hatte dafür offenbar einen Riss in der Schüssel. Aus unserer Sicht also: Gleichstand.

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Wohnen in Potsdam wird immer teurer, Villen und Einfamilienhäuser quasi unbezahlbar, weil nicht verfügbar, das lernten wir diese Woche aus einem Immobilienbericht. Die Überraschung hielt sich in Grenzen, derlei Botschaften ist der leidgeprüfte Potsdamer gewohnt. Dass die Wohnungsnot indes auch aufs Tierreich übergeht, kam dann doch überraschend. So wird es nicht nur in den Aquarien des Naturkundemuseums eng, wie wir diese Woche lernen durften, in Langerwisch wird jetzt Geschosswohnungsneubau für Störche betrieben, die ansonsten auch kein Appartement auf dem angespannten Mietmarkt finden. Da gab es sogar schon Gerangel um Wohnungen, Hand- beziehungsweise Schnabelgreiflichkeiten. Und in Töplitz haben Nilgänse (und Nilgänsinnen) einfach mal einen Storchenhorst besetzt. Wenn das keine Diskriminierung ist. Wo ist nur die evangelische Kirche, wenn man sie braucht?

DAS WAR DIE WOCHE: Parteifreunde

Samstag, 22. Dezember 2012

Das Ansehen der Mayas als gebildetes Kulturvolk darf nun, da es der 22. Dezember geworden ist und Sie diese Zeilen lesen, als weitgehend ruiniert gelten. Sicher, es gab Anzeichen dafür, dass der versprochene Weltuntergang ausbleibt: Chronische Scherzkekse verwiesen seit Wochen darauf, dass der Handel „Maja-Kalender 2013“ führt – auch wenn nur eine gestreifte Comic-Biene auf dem Titel prangt. Dennoch mischt sich nun vielerorts auch Enttäuschung unter die Erleichterung: All jene, die vorgestern falsch geparkt hatten, weil sie dachten, das Ticket ohnehin nicht mehr bezahlen zu müssen, bekamen nun im Wortsinn die Quittung für ihren Aberglauben. All jene, die ihren Verwandten, Freunden oder Ehepartnern am Donnerstagabend mal ins Gesicht husteten, was sie seit Jahren schon loswerden wollten, werden sich nun mit spät eingekauften Weihnachtsgeschenken besonders ins Zeug legen müssen, um den gesellschaftlich geforderten Weihnachtsfrieden zumindest leidlich wiederherzustellen. Und alle, die im Vertrauen auf die Mayas gar nicht erst Weihnachtsgeschenke gekauft hatten, werden heute und morgen zusätzlich die Läden und Passagen fluten. Fröhliches Last-Minute-Kaufen! Als klassisches Trostgeschenk empfehlen wir entweder die Filme „Apocalypse now“ und „Der Morgen stirbt nie“ oder für die Musikfreunde „Highway to Hell“ und Gloria Gaynors unsterbliche (!) Klassiker „I will survive“ und „Never Can Say Goodbye“.

Es gibt dieses seltsame Zwischenstadium bei Kindern, in denen sie noch nicht völlig bereit sind, den Glauben an den Weihnachtsmann fallen zu lassen, der erwachende Intellekt aber erste Zweifel anmeldet: Wie schafft der Mann das logistisch, an nur einem Abend hunderte Millionen von Kindern zu beliefern? Eine erste Ahnung konnte bekommen, wer am Donnerstag versuchte, den Pfaden von Linken-Fraktions-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg zu folgen: Der war zunächst in der Suppenküche der Volkssolidarität, um die von ihm initiierte Spende einer neuen Küche seitens eines Möbelhauses anzukündigen, wechselte dann flugs in den Jugendclub Offline, für den er eine Spende über 7500 Euro für Kochinseln bei seinem Parteifreund und Finanzminister Helmuth Markov locker gemacht hatte und schaffte es irgendwie noch, die Übergabe von Schokoladenweihnachtsmännern im Kindertreff am Stern dazwischenzuklemmen – und das alles ohne Rentierschlitten und religiöse Bindung. Respekt!

Die altbewährte Steigerung von Feind lautet bekanntlich Feind – Todfeind – Parteifreund. Dass das mehr als ein Kalauer ist, exerziert die FDP gerade durch. Die nahm im Sommer einen Brauhausberg-Aktivisten auf, und hat das – mutmaßlich – zwischenzeitlich schon ein paar Mal bereut: Das erste Mal, als er unabgestimmt eine Pressemitteilung im Namen der Partei herausgab, das zweite Mal, als er diese Woche den Rücktritt des noch recht frischen Fraktionsvorsitzenden von seinem Mandat forderte und denselben „inkonsequent“, „moralisch verwerflich“ sowie mit zu wenig „Demokratieverständnis“ und „moralisch-ethischen Grundsätzen“ ausgestattet schimpfte. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die FDP gerade erst einige Querelen um die Wahl ihrer Bundestagskandidatin durchlitten hatte, Vorstandsrücktritt inklusive. Wenn Freunde laut Sprichwort die Verwandtschaft sind, die man sich selbst aussucht, so scheint das für Parteifreunde nur begrenzt zu gelten.

(Erschienen am 22.12.2011)

DAS WAR DIE WOCHE: Ordnungsrufe

Samstag, 8. Dezember 2012

Fast hätten wir die Redaktion ins städtische Klinikum verlegen können: Das „Ernst von Bergmann“ war in dieser Woche in aller Munde – zugegebenermaßen eine geschmacklose Formulierung ist, ging es doch um Darmkeime. Das Stimmungsbild im Krankenhaus, hätte man es über die Woche aufgezeichnet, muss ungefähr wie die EKG-Kurve eines Patienten mit Herzstolpern ausgesehen haben: Die Fusion der Kinderklinik mit Brandenburg kann kommen, das Herzzentrum ist hingegen vom (OP-)Tisch. Es wurden weitere, wenn auch harmlose Darmkeime auf der Säuglingsstation entdeckt, deren Herkunft weiterhin (Achtung, fades Wortspiel:) im Dunklen bleibt, der Obdachlosenbus erwies sich hingegen als voller Erfolg. Dafür war die Notaufnahme am Donnerstag dank Wintereinbruchs komplett überlaufen. Oder besser überhumpelt und überkrückt.

Böse Zungen behaupten, es wären die beiden besten Nachrichten der Stadtverordnetenversammlung gewesen: Zwei Abgeordnete kündigten ihren Rückzug an: Der eine, Hannes Püschel (Die Andere) direkt, weil seine Fraktion im Jahresrhythmus ihre Abgeordneten rotiert. Der andere, Andreas Menzel (Grüne) indirekt, in dem er auf die schnelle Bearbeitung einer Anfrage drängte, da er befürchte, die Antwort sonst in seiner Zeit als Parlamentarier nicht mehr mitzubekommen. Menzel ist zugleich nervtötend anstrengend und bewundernswert hartnäckig, er kämpft bis zum Letzten um Uferwege und Akteneinsichten und setzt sich auch gern eine Clownsnase im Plenum auf, wenn ihm eine Antwort nicht passt. Püschel indes gehörte zu den unterhaltsamsten Stadtverordneten, weil er eigentlich nur provozierte, meist in einem nicht zitierfähigen Ausmaß, zugleich damit aber jede Sitzung spürbar dehnte. Kaum eine Wortmeldung des Ultralinken, die ohne das Wort „faschistoid“ auskam, auch wenn es nur um Wohnungsneubau ging. In seinem letzten Redebeitrag kündigte er vorsorglich an, er werde gleich einen Ordnungsruf erhalten, wolle er doch kurz von „Scheiße“ in Zusammenhang mit der Mietpolitik reden. Er bekam ihn. Schließlich war es Nikolausvorabend, da wollte der Präsident mit diesem Abschiedsgeschenken nicht knickrig sein.

Doch mal im Ernst: Beide gehen wohl eher, weil sie sich in Parlament und Ausschüssen so echauffiert haben, dass ihnen nun die Frühverrentung droht. Davon sind laut einer Studie immer mehr Potsdamer betroffen – aus psychischen Gründen. Was die beiden danach tun, ließen sie offen. Andreas Menzel dürfte eine Einkommenshalbierung drohen, gehörte er doch zu den Bestverdienern, weil er in seinem Kampf gegen die Verwaltung stets den Verdienstausfall als Selbstständiger geltend machen konnte und gerade diese Woche auch noch die Umsatzsteuer nachforderte. Hannes Püschel empfehlen wir einen Trend, der in Potsdam gerade ankommt: Guerilla-Stricken. Das ist hinreichend subversiv und beruhigt zugleich die Nerven. Vielleicht strickt er am Ende gar Wohnraum für 3,20 Euro kalt je Quadratmeter.

In der Spritzenhalle am Bahnhof gibt’s den dritten Anlauf, ein Restaurant zur eröffnen. Nachdem die monströs dekolletierten Mädels der Hooters-Kette nur wenige Wochen in knappen Shorts durch die Räume tänzelten und das „Aschinger“ wegen Nazivorwürfen gar nicht erst öffnete, versucht sich nun ein Dritter. Der Name ist für die Halle einerseits treffend und andererseits für die Gäste hoffentlich nicht Programm: Wartesaal.

(Erschienen am 08.12.2012)

DAS WAR DIE WOCHE: Im Dialog

Samstag, 1. Dezember 2012

Es war die Woche der schönen Dialoge. Dialoge, die komischerweise keiner so recht durch Lachen gewürdigt hat. Deshalb soll ihnen – und Ihnen – an dieser Stelle eine zweite Chance eingeräumt werden.

Die bestechendste Logik: Montagmittag, Blaue Box am Alten Markt. Der Stadtschlossverein stellt das Fortunaportal als Christbaumschmuck vor. Es ist – für diesen Zweck – mit 16 mal 9 mal 9 Zentimetern monströs groß und mit seinen verzerrten Proportionen und all dem Goldstaub – vorsichtig formuliert – eine Geschmackssache. Das sehen offenbar auch zwei Passantinnen so, die neugierig dem MAZ-Fotografen beim Ablichten über die Schulter schauen: „Ilse, würdst du dir ditt an den Baum hängen?“ –
„Für keen Jeld der Welt. So toll ick ditt Portal im Orchinal ooch finde, aber ick häng ma doch keen Tor an’ Boom.“ – „Na mit eent alleene kommste ooch nich weit. Kannst ja nich deine DDR-Kugeln danebenhängen.“ – „Wennick den janzen Boom damit dekoriere, bin ick aber arm bei 20 Euro pro Stück.“ – „Kannst ja noch von KPM die Garnisonkirchenkugel kaufen, dann stimmtet wieder.“

Die bestverpackte Beleidigung: Dienstagabend, Bauausschuss. Es geht darum, in der Zeppelinstraße keine neuen Einkaufscenter zuzulassen, um den bestehenden Handel zu schützen. Darauf entspinnt sich zwischen Baudezernent Matthias Klipp und Sebastian Pfrogner – nicht eben dicke Freunde – folgender Wortwechsel: Pfrogner: „Der bestehende Tierfutterhandel dort bleibt aber?“ – Klipp, genervt: „Was schon steht, hat logischerweise Bestandsgarantie. Keine Angst, Sie können dort weiter ihr Hundefutter kaufen.“ – Pfrogner: „Ich habe gar keinen Hund.“ – Klipp: „Es gibt dort auch Vogelfutter.“

Die Ideologie der Frischluftzufuhr: Nochmal Bauausschuss. Ein Herr der Linken sitzt in dicker Daunenweste im überfüllten, überhitzten Raum, nach wenigen Stunden wird ihm – wenig überraschend – unbehaglich, er steht auf und öffnet ein Fenster. Daraufhin ein CDU-Mann zu seinem Sitznachbarn, ungehalten: „Warum zieht der nicht einfach die Weste aus, statt dass jetzt 40 Leute frieren?“ – „Weil der Kommunist ist. Der denkt, dass alle schwitzen und will nun auch alle mit frischer Luft zwangsbeglücken.“ – „Genau deshalb musste die DDR untergehen.“

Mittwoch: Die hartnäckigsten Dialogpartner dieser Stadt stehen dieser Tage vor dem Rathaus und versuchen, arglose Bürger zur Unterzeichnung des Volksbegehrens für ein Nachtflugverbot zu bewegen. Wobei bewegen durchaus wörtlich gemeint ist, denn Unterschriftsverweigerer werden auch schon mal mit sanftem Druck in Richtung Bürgerbüro geschoben – selbst wenn sie vorab glaubhaft versichern, gegen das Nachtflugverbot sein, weil sie es sinnvoll finden, wenn der Jobmotor BER möglichst lange rotieren kann – wie es ein junger Mann am Mittwoch tat. Das brachte einen Aktivisten so auf, dass er den Verweigerer anschrie, er sei ein unsoziales … naja, Sie wissen schon. Darauf ein Passant kopfschüttelnd: „Ihr seid schon komisch, ihr Futzis. Gegen Lärm demonstrieren und dann in der Öffentlichkeit so rumbrüllen.“

Erschienen am 01.12.2012

No, Champs-Élysées!

Samstag, 1. Dezember 2012

Platzeck klagt über bunten Pariser Advent

Jetzt werden ihm seine Potsdamer vermutlich mit dem Spruch von dem Glashaus und den Steinen kommen, ihrem Matthias Platzeck. Der war nämlich dieser Tage – dienstlich, versteht sich! – in Paris und wurde von einer Nachrichtenagentur am Rande gefragt, wie ihm die weihnachtlich geschmückte Avenue des Champs-Élysées gefalle, die Prachtmeile der Hauptstadt. „Mir ist das ein Tick zu bunt“ ist als Antwort überliefert, und das wirft nicht nur Fragen nach der ministerpräsidialen Grammatik auf – Sprachpuristen hätten „einen Tick zu bunt“ bevorzugt – es spricht auch für eine unzureichende Vorbereitung des Landesvaters, wie er sie etwa durch regelmäßigen Besuch der Internetseite seiner Lieblings-Heimatzeitung hätte leisten können. Dort hätte er nämlich erfahren, dass 60 Prozent der Potsdamer die Beleuchtung auf ihrem Weihnachtsmarkt in der Brandenburger Straße – die berühmte Blaue Tanne, die angeblich bundesweit einzigartig ist – „grauenvoll“ finden. Immerhin 600 Menschen haben ihrem Abscheu per Mausklick Ausdruck verliehen. Doch statt nun kleinlaut und gebückt die Seine entlangzuschleichen, kritisiert Platzeck öffentlich den Geschmack der Franzosen. Die „Stadt des Lichts“ hat sich diesmal für pinke und weiße Girlanden in den Baumkronen entschieden. In Potsdam könnte sich Platzeck so etwas nicht vorstellen, „da hätten wir sicher eine riesige Debatte“, sagte er einem Korrespondenten. Ach Matthias, würdest Du doch nur häufiger auf eine von Ostdeutschlands meistgeklickten Webseiten schauen . . .

Erschienen am 01.12.2012

Rhetorische Keule

Samstag, 1. Dezember 2012

Über den Aktionismus der CDU nach gerade zwei Einbrüchen

Wenn zwei Einbrüche schon eine Serie sind, wird es höchste Zeit, den Begriff neu zu definieren. Jemand, der zweimal im Leben mit dem Auto jemandem den Spiegel abfuhr, ist dann ein Serientäter; wer zu Weihnachten zwei Geschenke bastelt, ein Serienfabrikant und wer zwei Kinder hat, ist in die Serienproduktion übergegangen. Bei allem Respekt vor dem Einsatz der CDU um Recht und Ordnung in den Reichenvierteln dieser Stadt, darf doch sanft mit dem Kopf geschüttelt werden, wenn sie nach zwei Einbrüchen die Politik fordert, „Aufzuwachen“, „Konzepte zu prüfen“ und „zu handeln“. Diese Stadt hat nun wahrlich andere Probleme als zwei Einbrüche in noblem Wohnumfeld. Da wird mit der rhetorischen Keule eine Mikrobe erschlagen. Nun ließe sich das ja als leicht übers Ziel hinausgeschossene PR eines Ortsverbandes abtun, der in seinem Revier nach Wählern wildert – wäre da nicht die Kreisvorsitzende, die nach dem zweiten Einbruch gleich „das Land in der Verantwortung sieht“. Was kommt als nächstes? Der Ruf nach einem Bundeswehreinsatz im Inneren, Schützenpanzer in der Berliner Straße, die GSG 9 in der Jägerallee und Kampfhubschrauber über dem Jungfernsee? Auf gut Berlinerisch lässt sich da nur sagen: „Hammset nich ’ne Numma kleena?“

Erschienen am 01.12.2012

DAS WAR DIE WOCHE: Angeschnitten

Samstag, 24. November 2012

Sie stand im Zeichen des Advents, der noch gar nicht begonnen hatte, diese Woche; im Zeichen eines Weihnachtsmarktes, der nach der überwiegenden Meinung (auch der nichtreligiösen) Potsdamer noch nicht hätte öffnen sollen. Das verhinderte aber nicht, dass es bei der Eröffnung auf dem Luisenplatz allerlei Munteres zu entdecken gab, denn erstmals übernahm Baudezernent Matthias Klipp den traditionellen Stollenanschnitt.

Man merkte Klipp an, dass seine mittlerweile drei Jahre in einer Stadt unter Haushaltssicherungskonzept und seine regelmäßigen Auseinandersetzungen mit dem Kämmerer um ein bisschen mehr vom Kuchen nicht ohne Folgen geblieben sind: Während der Stollenbäcker daumendicke Stücke vom Adventsgebäck säbelte, schnitt Klipp hauchdünne Scheibchen und provozierte damit unter den Anstehenden den Kommentar: „Willy, wir jehn in die andere Schlange. Der vonne Stadt ist knickrich“. Dabei wollte Klipp nur, dass möglichst viele in den Genuss des Gebäcks kommen. Doch dass nur Undank seiner Mühen Lohn sei, ist ja eine gern geführte Klage des Dezernenten.

Um so freigiebiger zeigte sich der Baubeigeordnete dafür mit etwas anderem: Obwohl sicht- und hörbar erkältet, schnitt Klipp mit bloßen Händen und verteilte auch aus denselben, wo der Bäcker stets eine Serviette zwischen sich und den Stollen brachte. Der Modebegriff „Virales Marketing“ bekam so eine völlig neue Bedeutung. Ob damit auch Klipps in letzter Zeit umstrittene stadt- und verkehrsplanerische Überzeugungen auf die Bürger übergingen, wird sich noch erweisen müssen.

Zuvor hatte sich der Dezernent noch öffentlich gefreut, endlich mal wieder etwas entscheiden zu dürfen, nämlich, wer Stollen bekommt und wer nicht. Nach Monaten, in denen die Politik so manchen Klippschen Plan (Staudenhof-Erhalt, keine Alte Post) zunichte gemacht hatte, hoffte der Mann offenkundig auf etwas Mitleid. Die bedauernden „Oochs“ blieben aber aus – oder sie gingen im „Halleluja“ des Bläserquartetts schlicht unter.

als Klipp vor dem Anschnitt an der Fußgängerampel am Luisenplatz warten musste, zeichnete sich eine letzte Chance zur Lösung der umstrittenen frühen Marktöffnung ab: die Klippsche Pförtnerampel, für die ihn insbesondere Pendler und Umlandgemeinden ziemlich lieb haben. Klipp hätte den Konflikt schlicht lösen können, indem er die Ampel bis nach Totensonntag einfach auf „rot“ gestellt und den Stau am Markteingang erst am Montag aufgelöst hätte. Tat er aber nicht.

Derweil ist Potsdam nicht die einzige Stadt, der eine öffentliche Debatte um ihren Weihnachtsmarkt letztlich soviel Aufmerksamkeit bescherte, dass es am Ende voller war als in den Vorjahren. In Dresden ist der zentrale Weihnachtsbaum so hässlich, dass die lokalen Medien schon von der „Schandfichte“ sprechen, die die Stadt weltweit blamieren würde. Daraufhin kommen nun Tausende, um den „müden, schlappen, hässlichen Baum“ mit eigenen Augen zu erblicken. Vielleicht eine Idee fürs nächste Jahr. Auch wenn es nur abgekupfert wäre, hätte es doch den Charme, dass es der Kirche schnurz ist.

DAS WAR DIE WOCHE: Repepepetititiv

Sonntag, 11. November 2012

Im Grunde mag es ja stimmen: Wiederholung ist die Mutter der Eleganz, der Weisheit und der Erkenntnis. Sie kann aber auch die Mutter des Nervenzusammenbruchs werden, und das nicht nur durch ewig gleiche Werbung für schwäbisches Müsli. Manchmal genügen schon Redebeiträge in einem politischen Ausschuss.

Im Bauausschuss etwa forderte am Dienstag jemand, „zu prüfen, ob eine genauere Prüfung prüfenswert wäre“. Da hätten wir gern geprüft, ob der Sprecher seinen Satz auf den Sinngehalt geprüft hatte, bevor er ihn seinen Lippen entschlüpfen ließ. Einer Spontanprüfung auf Eleganz, Weisheit und Erkenntnis hielt dieses Satzfragment jedenfalls nicht stand. Doch mag es auch nicht sinnvoll gewesen sein, so war es wenigstens ansteckend: Die „Einzelwirksamkeit einzelner Vereinzelungsmaßnahmen“ wollte kurz darauf ein anderer Sprecher – Sie ahnen es: – geprüft wissen. Diese erneute Repetition hatte dann eine offenbar jegliche Synapsen überlastende Wirkung: „Wir entkleiden uns eines Druckmittels“, drohte ein Dritter, und die anwesenden Damen – einige wenige gibt es selbst im Bauausschuss – teilten sich spontan in eine Gruppe, die kichernd errötete, und eine, die ob dieser Vorstellung verschreckt erbleichte. Nur für den Fall, dass das aus dem Vorgesagten nicht zu erraten war: Auf der Tagesordnung stand gerade das Verkehrskonzept.

Wenn sie schon nicht immer für Eleganz, Weisheit und Erkenntnis taugt, so ist Wiederholung zumindest noch für einen Scherz gut (wie diese Kolumne ja quasi durch ihre Existenz beweist). So auch beim Neubau-Vorhaben der Weißen Flotte. Die Vorstellungen von deren Umzugsplänen, etwa im Jahresrhythmus, haben auch schon repetitiven Charakter, zumal es jedesmal heißt, diesmal sei die endgültige Lösung gefunden. Vielleicht weil er das Ritual nicht mehr ertrug, schickte der eine Weiße-Flotte-Chef diesmal seinen Mitgeschäftsführer Jörg Winkler zum Termin, der nun den von Architekturprofessor Karl-Heinz Winkens vorgestellten winkligen Bau der Presse zeigen durfte. Sie ahnen nun sicher, wie das Gebäude vom erstbesten Scherzkeks genannt wurde? Winkler-Winkens-Winkel. Das ist zumindest elegant. Aber nicht witzig. Schade.


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