Archiv für die Kategorie „Toast & Honig“

„Da hingehen, wo die Angst ist“

Freitag, 28. September 2007

Sarah Kuttner liest ihre Kolumnen

Heute Abend gastiert Sarah Kuttner mit ihrem Buch „Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart“ im Waschhaus. Die MAZ sprach vorab mit der umtriebigen Autorin über Potsdam, langweiliges Lesen und die geplante Radioshow mit ihrem Vater. Die Fragen stellte Jan Bosschaart.

Eine Lesung in Potsdam – ist das eine kleine Heimkehr?
Kuttner: Da ich Potsdam zu Berlin zähle: Ja! Es ist eine bewusste Entscheidung für Potsdam und gegen Berlin. Letztes Mal in Berlin wirkte das Publikum ziemlich reserviert. Da dachte ich: Nee, wenn die immer so schnell von allem genug haben, geh ich lieber nach Potsdam, die freuen sich sicher. Und ich mag Potsdam.

Ist Ihr unruhiger Geist überhaupt irgendwo zu Hause?
Kuttner: Klar! Ich bekomme sogar sehr schnell Heimweh, wenn ich mal weg bin.

Was erwartet die Besucher der Lesung?
Kuttner: Das wird gar keine reine Lesung. Nach der letzten Lesetour war mir ziemlich langweilig. Wenn man das so 30-mal macht, denkt man irgendwann: „Ach Gottchen, kann doch jeder selber lesen“. Doch die Anfragen rissen nicht ab, und auch ein „Best Of“ meiner Sendung wünschten sich viele. Da beschloss ich, eine Mischung zu machen und suchte aus dem Archiv die schönsten Einspieler raus. Es wird also Hälfte Kino, Hälfte Lesung. Und das Publikum darf aussuchen.

Es kommen also auch Nichtleser auf ihre Kosten?
Kuttner: Die meisten Leute kommen ohnehin nicht, um sich ein Buch vorlesen zu lassen, sondern um mich mal zu sehen. Außerdem gibt’s absurde Geschenke für jeden, der mit mir vorliest. Auf der letzten Lesung waren es tolle Krankheitserreger als Kuscheltiere, diesmal habe ich eine Geschenktüte gepackt mit Kram, den ich nicht mehr brauche.

Was macht denn nun die Gegenwart so anstrengend?
Kuttner: Na dass sie dauernd da ist! Ich finde die gar nicht so anstrengend, aber im Buch schimpfe ich darüber, dass viele Leute das offenbar tun. Die hören noch die besten Hits der 70er, 80er und 90er oder gucken sich die hundert witzigsten Werbespots im Fernsehen an. Ich finde, dass es durchaus schön ist im Hier und Jetzt und man sich damit ruhig beschäftigen sollte.

Demnächst moderieren Sie mit Ihrem Vater eine Radiosendung. Wie wird das?
Kuttner: Wir wissen’s beide nicht, wir finden’s aber eine irre Idee. Das reizvolle daran ist unsere Verschiedenheit. Es wird keine Jagd nach Pointen geben – wir können ja beide gleichzeitig irre witzig sein.

Gibt es ein Konzept?
Kuttner: Kaum. Wir lassen uns ins Studio sperren und schauen mal, was rauskommt. Mein Vater wollte das schon lange, aber ich war skeptisch. Jetzt dachte ich: Einfach mal da hingehen, wo die Angst ist.

Erschienen am 28.09.2007

Schießerei in der Rotunde

Dienstag, 25. September 2007

Tom Tykwer ließ das Guggenheim-Museum in Babelsberg nachbauen

Dass es wirklich passte, sei die größte Sensation gewesen, sagt Produktionsdesigner Uli Hanisch. Die Suche nach einem passenden Gelände hatte er schon fast aufgegeben, doch dann kam Babelsberg: Ein alter, ein „ruinöser“ Lokschuppen, wie Hanisch betont, rettete den Plan. Dieser Plan besagte, dass für Tom Tykwers neuen Film „The International“ eine wilde Schießerei in der berühmten Rotunde des New Yorker Guggenheim-Museums notwendig ist. Aus technischen, filmischen und musealen Gründen kam ein Dreh am Originalschauplatz nicht in Frage, also musste nachgebaut werden. Doch welches Gebäude hat die Ausmaße, die Rotunde im Originalmaßstab – 40 Meter Durchmesser, 15 Meter Höhe – aufzunehmen? Die Filmstadt konnte weiterhelfen.
Doch bevor das „Gug“ in Babelsberg, wo seit gestern gedreht wird, entstehen konnte, hatten die Götter den Schweiß gesetzt: Während das Original in 16 Jahren erbaut wurde, hatte das Team um Bauleiter Dirk Grahlow nur 16 Wochen Zeit. Zunächst musste der Schuppen geflickt werden – alte Schienenstränge verschwanden unter Asphalt, das Gebäude wurde gegen Wind und Regen geschützt, große Teile des Daches bedurften einer neuen Abdichtung. Zwei Wochen teure Sanierung waren das, erzählt Hanisch, der für Tom Tykwer auch schon das Set im „Parfum“ baute. Nach weiteren vier Wochen Entwicklungszeit kam dann wieder Dirk Grahlow zum Zuge: Innerhalb von nur zehn Wochen musste die Rotunde im Lokschuppen entstehen: eine umlaufende Gerüstkonstruktion mit innenliegenden Strahlträgern. 40 Leute arbeiteten fast rund um die Uhr und sechs Tage pro Woche daran, verbauten 7000 Kubikmeter Gerüst, 3000 Tonnen Stahl und acht Kilometer Kantholz.
Das Ergebnis trägt nicht nur Dutzende von Menschen, sondern erzielt die selbe „Raumwirkung“ wie das Original, wie Uli Hanisch stolz berichtet. Guggenheim-Mitarbeiter aus New York haben sich bereits angekündigt, um sich davon zu überzeugen. Sie halfen während der Konzeptions- und Bauphase kräftig mit, etwa, indem sie Hanisch die Originalbaupläne überließen. Uli Hanisch ist vollauf begeistert: „Es hat wirklich auf 50 Zentimeter genau reingepasst“, sagt er und schüttelt noch immer ungläubig den Kopf. Dem Team von Dirk Grahlow bescheinigt er „eine Riesenleistung“, doch der drückt sich bescheiden in den Hintergrund. Auch Tom Tykwer ist begeistert. Mit Hilfe von 30 Beamern sollen Video-Kunstwerke auf ebenso vielen Leinwänden die Szene beleuchten, verrät er. Hanisch, mit dem Tykwer regelmäßig zusammenarbeitet, habe sich selbst übertroffen: „Solchen Wahnsinn hat noch niemand gemacht“, sagt der Regisseur und lächelt. Dem stimmt sogar Dirk Grahlow zu: „Das war das Komplizierteste, was ich je gemacht hab.“

Erschienen am 25.09.2007

Wie Münzenwerfen

Freitag, 14. September 2007

Das klingt zunächst nach einer guten Nachricht: In Potsdam geblitzt zu werden, ist wie ein Münzwurf – 50 Prozent Trefferwahrscheinlichkeit. Gerade angesichts der drohenden Allgegenwart der überteuerten „Passbildautomaten“, die selbst mancher Staatsanwalt schon als „moderne Wegelagerei“ schalt, ist das eine tröstliche Vorstellung. Doch das hämische Grinsen, das dem geplagten Fahrzeuglenker darüber aufs Gesicht huscht, verschwindet schnell zugunsten eines schalen Nachgeschmacks: Geschwindigkeitskontrollen sind – wenn nicht extensiv und an reinen Abzockpositionen eingesetzt – ein wichtiges Mittel, die Allgemeinheit vor notorischen Bleifuß-Hasardeuren zu schützen. Diese Abschreckungswirkung auf als „Flitzer“ verharmloste Raser dürfte unter der „guten“ Nachricht nachhaltig leiden. Und auch der relativ reuige Normalbürger, der schamhaft das Bußgeld bezahlt, um die Sache aus der Welt zu schaffen, ist letztlich der Dumme, wogegen chronische Prozesshanseln (statistisch) in jedem zweiten Fall triumphieren. Das beweist erneut, dass Autofahrer längst zu Melkkühen degradiert wurden. Die Polizei sollte ihre Mehr-Einnahmen in Kurse zu investieren: Wo stellt man Blitzer wirklich sinnvoll auf?

Erschienen am 14.09.2007

Medien-Ethik in Europa

Samstag, 1. September 2007

Prominente Journalisten diskutierten vor dem M100-Jugendworkshop

„Mein Beileid“, eröffnete Hans-Ulrich Jörges, Vizechef des „Stern“, „sie müssen sich jetzt stundenlang langweilige Debatten anhören. Doch gewöhnen sie sich dran: Das wird ihnen noch die nächsten 50 Jahre so gehen.“ Es war eine knackige Eröffnung des M100-Jugendmedien-Workshops, die der Ankündigung scheinbar widersprach. Und so lachten sie zunächst, die 35 Teilnehmer aus zwölf europäischen Ländern und Israel, die zur Podiumsdiskussion ins Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gekommen waren. Die 18- bis 25-Jährigen erwartete ein Podiumsgespräch über „Ethische Richtlinien für Journalismus in Europa“. Jörges im Podium ist da eine gute Idee, denn er redet nicht nur zu allen journalistischen Themen in der Öffentlichkeit gern und ausdauernd, sondern meist auch bissig und daher unterhaltsam. Und so ging es dann los: Richtlinien seien schonmal schlecht, denn sie schränkten die Pressefreiheit ein, man spräche doch besser von ethischen Standards, ließ er die Runde wissen. Ehrlichkeit, Integrität und Unabhängigkeit seien die einzigen Rezepte, verkündete Jörges. Er erklärte das so, als sei nun alles gesagt und man könne endlich zum Buffet schreiten. Doch ein wenig reden wollten die anderen im Podium doch noch. Andrea Seibel, Vize-Chefin der „Welt“, erklärte, die Tendenz zur Unterhaltung sei gefährlich. Susan Neiman vom Einstein Forum warnte die jungen Teilnehmer davor, der verführerischen Berufskrankheit Zynismus zu verfallen („Guter Journalismus gehört in die Tradition der Aufklärung!“), und Joachim Huber, Ressortleiter Medien beim „Tagesspiegel“, fasste es pragmatisch: „Lügen Sie nicht, wenn sie wissen, dass Sie lügen!“ Dann kam wieder Jörges, der wusste, dass 80 Prozent der Journalisten ohnehin schon vom Weg abgekommen und den vielen Verführungen erlegen seien. Die Gesichter der Teilnehmer wurden während dieser Debatte immer leerer – wohl auch, weil sie nicht mitreden durften. Da war es gut, dass der Journalist Mathew D. Rose dazu riet, nie den Humor zu verlieren, obwohl der Journalismus in der Krise sei. Ein Rat, den etwa Hans-Ulrich Jörges schon seit Jahren befolgt.

Erschienen am 01.09.2007

Risse in der Familie

Mittwoch, 29. August 2007

Die „Grüns“ mussten repariert werden

INNENSTADT Frau Grün hatte in letzter Zeit einige Sorgen mit der Gesundheit: Nicht nur, dass der Arm furchtbar schmerzte, auch um ihre Standfestigkeit war es schlecht bestellte – sie schwankte gewaltig hin und her, das dauernde Stehen bekam ihr gar nicht. Doch zum Glück erbarmte sich Joachim Buhlmann: Mit Keller und Kleber, Binden und Beton nahm er sich des herunter gefallenen und zerbrochenen Armes sowie des gelockerten Sockels an, und nun strahlt die Familie Grün wieder in gewohnter Eintracht auf der Ecke Brandenburger Straße/Lindenstraße den Passanten entgegen – zwar um ein paar Narben reichen, aber so ist das halt im Alter und wenn man 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche und 52 Wochen im Jahr draußen steht. Die Grüns führen ein öffentliches Familienleben, mit all den Vor- und Nachteilen. Zu letzteren gehören Vandalismus oder zumindest Unbedachtheit. „Kinder klettern darauf herum, sitzen auf den Schultern, zerren daran“, sagt Joachim Buhlmann, dessen Frau Carola die Familie 1979 schuf – und damit ein kleines Wahrzeichen Potsdams. „Dass die drei angefasst und genutzt werden, war ja auch so geplant“, verteidigte Buhlmann die jungen Kunstnutzer. Nur für echten Vandalismus und mutwillige Zerstörung hat er kein Verständnis, auch wenn er betont, dass „Halbstarke es in unserer Zeit sehr schwer haben“. Es wird nicht die letzte Reparatur an der Familie gewesen sein.

Erschienen am 29.08.2007

Den Tiefpunkt unterboten

Montag, 27. August 2007

„Es geht vor allem um die Tiere“, das werden alle Beteiligten am Tierheim-Debakel nicht müde, zu betonen. Doch daran darf man getrost ernsthaft zweifeln. Vielmehr scheint es, als wären die ohnehin Leidenden in diesem ewig währenden, unwürdigen Gerangel nie der Zweck, sondern stets nur Mittel der Auseinandersetzung. Ob es um persönliche Animositäten zwischen Tierschutzverein und Stadtverwaltung geht, um Profilierungstendenzen oder vorgezogenen Wahlkampf, ist letztlich egal: Fest steht, dass es für die Landeshauptstadt mittlerweile mehr als nur peinlich ist, dass sie ihr Tierheimproblem nicht gelöst bekommt. Nach unzähligen Anläufen, nach all dem Streit um alternative Standorte, markierte der Vorstoß vom Mai, den Betrieb eines neuen Heimes nicht dem engagierten Tierschutzverein zu überlassen, sondern ihn europaweit auszuschreiben, den vorläufigen Tiefpunkt des Gezerres. Der ist nun mit dem hinter den Kulissen offenbar lange vorbereiteten und ohne Information der Fraktionen zur Unzeit kommunizierten Vorschlag, einen privaten Anbieter zu wählen, erneut unterboten worden. Ganz gleich, warum: Es geht nicht um Hund und Katze, es geht zu wie zwischen beiden Arten.

Erschienen am 27.08.2007

Wenn die Geigen wiehern

Freitag, 24. August 2007

Filmlivekonzert zu „Dick und Doof“-Streifen fordert Musikern einiges ab

„War das Moll oder Dur? Also ich hab Dur erwartet.“ Scott Lawton lässt den Taktstock sinken und grinst. Ohne Blick in die Noten kann Gert-Jan Blom aus der ersten Bankreihe bestätigen: „Es ist Dur!“ „Dann habt ihr ein sehr interessantes Dur gespielt“, sagt Lawton, wieder seinem Orchester zugewandt. Die Musiker zucken mit den Schultern und schauen konzentriert auf ihre Notenblätter. Es funktioniert noch nicht alles, aber schon das meiste bei der Generalprobe zum „Filmlivekonzert Dick und Doof“ im Nikolaisaal, das heute Abend dort erklingen wird. Scott Lawton hat das Deutsche Filmorchester Babelsberg bestens im Griff, und er wird von zwei Profis in Sachen Filmmusik der 1920er und 30er Jahre flankiert: Musikforscher Piet Schreuders und Gert-Jan Blom, Orchesterleiter der berühmten „Beau Hunks“, stehen dem Dirigenten zur Seite.

Die beiden Niederländer haben sich das Verdienst erworben, die fast vergessene und vielbelächelte Filmmusik der letzten Stumm- und ersten Sprachfilme auszugraben. „Es ist fast ein archäologischer Prozess gewesen“, sagt Piet Schreuders. Weder gab es Aufnahmen dieser Stücke, noch Noten, noch hielten es die damaligen Filmemacher für nötig, Komponisten oder Musiker im Abspann zu erwähnen. Also setzten sich Schreuders und Blom zusammen und hörten sich die Musik tausende Male an. Sie transkribierten die Noten, bevor sie sie wieder zu Orchesterarrangements zusammensetzten. „Originaltreue war dabei oberstes Gebot“, sagt Schreuders. Vier Alben produzierten die „Beau Hunks“ mit dieser Musik und erwarben sich internationalen Ruhm, bevor sie sich, der Filmmusik müde, wieder anderen Projekten zuwandten. Drei seiner Besten – Saxophonisten und Klarinettisten – hat Gert-Jan Blom nach Potsdam mitgebracht, um das Filmorchester zu unterstützen. „Das Orchester ist gut, aber für sie ist es ein Konzert. Für uns ist es Enthusiasmus und ein Teil unseres Lebens“, erklärt Schreuders lächend den Unterschied.

Den schwersten Job an diesem Abend aber hat zweifellos Scott Lawton: Er muss nicht nur rund 20 Musiker dirigieren, sondern auch noch darauf achten, dass Melodien synchron zu den zwei „Dick und Doof“-Filmen auf der Leinwand laufen. Manchmal auf den Ton genau. „Scott macht das super“, sagt Piet Schreuders anerkennend, „egal in welchem Dur“.

Erschienen am 24.08.2007

Die dunkle Seite der Amundsenstraße

Mittwoch, 8. August 2007

RTL ließ für düsteren Krimi eine Verfolgungsjagd drehen

NEDLITZ Kein Hase und kein Reh musste am Montagabend um sein Leben fürchten, als im Wald an der Amundsenstraße scharf geschossen wurde. Dafür aber der Mann vom Special-Effects-Team: Hauptdarstellerin Melika Foroutan war sichtlich genervt, als ihre Pistole nach zwei Schüssen nur noch ein leises „Klack“ von sich gab – gerade, als sie zum dramatischen Höhepunkt abdrückte. Regisseur Peter Keglevic rief daraufhin „Abbruch“ und zog sich mit krauser Stirn zurück, Aufnahmeleiter Stefan Bechem sah aus, als explodiere gleich er statt der Patrone.

Pannen passieren, obwohl es hochprofessionell zugeht am Set von „Die dunkle Seite“, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Schätzing („Der Schwarm“), den die Firma Network Movie für RTL dreht. Doch der lange Drehtag fordert an diesem Abend Tribut: Seit 6 Uhr morgens ist die vielköpfige Crew in der Amundsenstraße am Werk, die dafür voll gesperrt ist. Mehr als diesen einen Tag haben die Filmleute allerdings auch nicht für die rund sieben Filmminuten, in denen eine Verfolgungsjagd und deren nervenaufreibender Showdown zu sehen sein werden.

„Die Amundsenstraße ist grandios. Wir mussten dort einfach drehen. Diese dichte Allee, über der die Baumkronen ein durchgehendes Dach bilden, ist eine unglaubliche Kulisse“, schwärmte Andi Wecker, leitender Producer bei Network Movie am Telefon. Durch ihren rund 1,5 Kilometer langen, schnurgeraden Verlauf eigne sie sich zudem hervorragend zum Filmen der Verfolgungsjagd.

Die war am Montagabend schon längst im Kasten. Trotz erster Ermüdungserscheinungen konzentrierte sich das Team auf deren Schluss-Szene, wo Detektivin Vera Gemini (Melika Foroutan) den Privatdetektiv Christian Zander (Charly Hübner) schließlich stellt und zum Reden bringen will. Filmleute sind Perfektionisten. Nicht nur, dass der Zugang zum Set dem Passieren einer Hochsicherheitsschleuse glich, auch entlang aller denkbaren und einiger undenkbarer Zuwegungen zur Straße waren freundliche, aber strenge Sicherheitsleute aufgestellt. Vor Ort herrschte hochprofessionelles Gewusel. Spiegelungen in Autoscheiben, Lichteinfall, Störgeräusche durch überquerende Flugzeuge, Überreste der Ausrüstung im Bild, all das zu verhindern hatte Aufnahmeleiter Stefan Bechem im Blick. Während Melika Foroutan und Charly Hübner ihre Texte durchgingen, tupfte die Maske ihnen den Schweiß aus dem Gesicht, jemand verteilte Ohrstöpsel gegen den Knall der Pistole und ein Kamera-Assistenz sprintete nach dem Ersatz-Akku.

Nur Peter Keglevic verströmte eine Ruhe, als säße er nicht im Zentrum des Orkans, sondern betrachte ihn durch eine Glasscheibe. Der in Salzburg geborene Drehbuchschreiber und Regisseur ist bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis für seine Verfilmung der Oetker-Entführung und dem Goldenen Löwen für „Die Roy-Black-Story“. Darüber hinaus gilt Keglevic als Krimi-Spezialist: Er drehte auch mehrere Tatort-Folgen und Episoden bei „Doppelter Einsatz“ und „Der Elefant“. Wann „Die dunkle Seite“ auf RTL gesendet wird, ist derzeit noch unklar.

Erschienen am 08.08.2007

Das wahre Leben

Freitag, 20. Juli 2007

Es ist verdienstvoll, dass das Medienlabor Potsdam und die „Politikfabrik“ junge Menschen die EU „abchecken“ lassen. Und es ist nötig. Denn obwohl die Abiturienten, Azubis und Studenten heute weltgewandt und weltoffen sind und mit 20 Jahren oft mehr von der Welt gesehen haben, als ihre Eltern mit 40 oder 50, rauscht die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit im Zielland häufig im Zug oder Bus an ihnen vorbei. Clubs sind halt keine Vorstädte, Strände keine Provinz und Bars keine Bergdörfer. Genau in letztere aber werden die EU-Checker gesandt, und die Pflicht zur Berichterstattung schürt das Interesse am Leben und Leiden dort. Selbst der gern und oft zu Recht vorgebrachte Einwand, es bewerbe sich ohnehin nur, wer schon politisches Interesse habe, zieht diesmal nicht: Durch die Auswahl per Abstimmung im Internet und dadurch, dass man die Reise online verfolgen und mitbestimmen kann, kommt ein wesentlich größerer Kreis von Jugendlichen mit dem wahren Leben vor Ort in Berührung. Nicht zuletzt ist es sympathische Werbung für Deutschland: Dass unsere Jugend so sehr an seinem Alltag interessiert ist, dürfte den rumänischen Bauern und den bulgarischen Vorstädter recht positiv überraschen.

Erschienen am 20.07.2007

Ein Schmuckstück

Freitag, 13. Juli 2007

Er wünsche sich die Überschrift „Villa Quandt macht Riesenfortschritte“, erklärte Demir Arslantepe nach einer Baustellenführung mit schelmischem Grinsen dem Pressetross. Der Baudenkmalpfleger der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten fügte hinzu, er wolle das nicht für sich, sondern für seinen geschundenen Presse-Chef, der unter der massiven Kritik an der neuen Parkordnung schwer leide. Nun sind Journalisten ein renitenter Haufen, der sich höchst ungern etwas vorschreiben lässt, und so musste dem Denkmalpfleger schon aus Prinzip seine Wunschzeile verwehrt werden. Davon abgesehen aber ist selbst bei kritischem Blick wenig auszusetzen am Baugeschehen in der Großen Weinmeisterstraße: Die Arbeiten liegen im Zeitplan, die künftigen Nutzer wurden, wo immer es ging, in die Planung einbezogen, und den Teilnehmern der Baustellenführung war die Begeisterung über die Wandlung der Villa von einer düsteren Ruine in ein helles, repräsentatives Schmuckstück deutlich anzusehen. Selbst die „Russensauna“ im Keller hat die Stiftung liebevoll restaurieren lassen, auch wenn sich wohl keine Nutzung dafür finden wird. Zusammengefasst heißt das wohl: Die Villa Quandt macht Riesenfortschritte.

Erschienen am 13.07.2007


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