Besuch: Während Camilla durch Sanssouci geführt wurde, warteten die Fans geduldig auf einen kurzen Blick
POTSDAM | Sie kommt nur bis „Countess“, dann scheitert sie an der Staatsmacht. Die Polizisten nehmen ihre Absperr-Aufgaben sehr ernst und keinerlei Rücksichten auf überzeugte Royalisten. Deshalb muss Karina Ristel (31) ihren Satz, der mit „Aber ich möchte doch nur Camilla sehen, sie ist schließlich…“ beginnt und dann zum 33 Worte umfassenden offiziellen Titel von Camilla Mountbatten-Windsor übergeht, hinter der imaginären Absperrung vollenden, die die Polizisten am Eingang zum Schlosspark gegenüber der historischen Mühle ausweisen.
Den Unterschied zwischen Aristokratie und gemeinem Volk markiert diesmal – über die klassischen Ständegrenzen hinweg – ein zehn mal sieben Zentimeter messendes Stück Plastik, das einigen um den Hals baumelt. Wer es hat, ist geadelt und darf sich dem Tross um Stiftungsdirektor Hartmut Dorgerloh, Innenminister Jörg Schönbohm und Bürgermeister Jann Jakobs anschließen. Wer nicht, muss sich zum Pöbel zählen und wird von Polizei und Botschaftsangehörigen auch so behandelt. Dass die Britische Botschaft selbst bei Presseakkreditierungen offenbar gewürfelt hatte, statt nach medialer Bedeutung zu entscheiden, sorgt für zusätzliche gute Laune vor dem Tor.
Für jene, die warten müssen, dauert Camillas Besuch exakt 22 Meter oder 47 Schritte. So lange braucht die in ein elegantes weißes Kleid und blauen Mantel gehüllte Herzogin von Cornwall, um von der schwarzen Limousine bis zum Tor zu gelangen. Fröhlicher Applaus von etwa 80 Schaulustigen hallt ihr nach. Karina Ristel indes ist den Tränen nahe. Sie hatte sich wesentlich mehr Nähe erhofft. Nicht nur, weil sie ohne zu stocken von „Her Royal Highness“ über neun Titel bis „Princess of Scotland“ kommt und Camillas Lebenslauf herunterbeten kann wie jenen von Prinz Charles, Lady Diana und anderen Royals, sondern auch, weil sie unbedingt sehen wollte, wie Camilla, die sie sonst nur „im Paket mit Charles“ zu Gesicht bekomme, sich allein schlägt im Damenprogramm. Daraus wird nun nichts. „Sie müssen das verstehen“, sagt ihr Freund entschuldigend und ungefragt zu dem Häuflein Wartender, das stehen geblieben ist, als die Menge sich auflöst und auf die Rückkehr der Herzogin zur Limousine wartet, „sie trägt selbst Unterwäsche mit dem Wappen der Windsors“. Er lächelt verkniffen, trippelt ein wenig auf der Stelle und sieht so aus, als könne er sich nicht entscheiden, ob Scham oder Stolz stärker sind. Die anderen schauen kurz konsterniert und setzen sich dann an der Rampe in die Sonne. 15 Minuten sieht der Zeitplan der Herzogin für Schloss und Gemäldegalerie vor, die Wartezeit gilt als überschaubar. Gegenüber nimmt ein als Friedrich II. gewandeter Flötenspieler seine Musik wieder auf. Auch er wurde kurzzeitig verscheucht. Die Polizisten sind im Park oder ziehen sich zu den Autos zurück. Alles klebt am Magneten Camilla, der Eingang verwaist. Zehn Minuten vergehen, es kommt ein wenig Langeweile auf. Langeweile, die ins Philosophische mündet. „Warum eigentlich der Rummel? Die Frau hat weder was geleistet noch stellt sie was dar noch ist sie schön. Sie hat nur zufällig einen möglichen Thronfolger kennengelernt“, sagt ein älterer Herr. Die Frage bleibt ohne Antwort. „Polizisten in grünen Hosen mit weißen Sakkos sehen echt scheiße aus“, bemerkt eine jüngere Stimme nach weiteren Minuten. Wieder Stille. „Sie ist das mit dem Tampon ja auch nie losgeworden“, versucht es einDritter. Aussichtslos. Die Gruppe brät in der Sonne und kommt zu keinem Gespräch. Mittlerweile sind fast 40 Minuten vergangen. „Mich nervt dieser Flötenschlumpf da oben echt schwer“, sagt ein Jugendlicher. Alle nicken. Die Laune ist auf dem Tiefpunkt. „Man müsste so eine Plastikkarte um den Hals haben“, bringt es eine Dame auf den Punkt. Dann plötzlich: Bewegung. Erst ein Pulk rückwärts laufender Touristen, dann die Pressemeute, dann die Polizei, die wieder alles an die Seiten drängt. Camilla lächelt immer noch, blinzelt in die Sonne, schüttelt ein paar Hände. 22 Meter, 47 Schritte. Die Herzogin besteigt die Limousine. Konvoi ab. Applaus hallt ihr nach. Karina Ristel hat erneut eine Träne im Auge – und Friedrich II. greift wieder zur Flöte.
Erschienen am 02.05.2009
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