Archiv für die Kategorie „Märkische Allgemeine“

Die dunkle Seite der Amundsenstraße

Mittwoch, 8. August 2007

RTL ließ für düsteren Krimi eine Verfolgungsjagd drehen

NEDLITZ Kein Hase und kein Reh musste am Montagabend um sein Leben fürchten, als im Wald an der Amundsenstraße scharf geschossen wurde. Dafür aber der Mann vom Special-Effects-Team: Hauptdarstellerin Melika Foroutan war sichtlich genervt, als ihre Pistole nach zwei Schüssen nur noch ein leises „Klack“ von sich gab – gerade, als sie zum dramatischen Höhepunkt abdrückte. Regisseur Peter Keglevic rief daraufhin „Abbruch“ und zog sich mit krauser Stirn zurück, Aufnahmeleiter Stefan Bechem sah aus, als explodiere gleich er statt der Patrone.

Pannen passieren, obwohl es hochprofessionell zugeht am Set von „Die dunkle Seite“, der Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Schätzing („Der Schwarm“), den die Firma Network Movie für RTL dreht. Doch der lange Drehtag fordert an diesem Abend Tribut: Seit 6 Uhr morgens ist die vielköpfige Crew in der Amundsenstraße am Werk, die dafür voll gesperrt ist. Mehr als diesen einen Tag haben die Filmleute allerdings auch nicht für die rund sieben Filmminuten, in denen eine Verfolgungsjagd und deren nervenaufreibender Showdown zu sehen sein werden.

„Die Amundsenstraße ist grandios. Wir mussten dort einfach drehen. Diese dichte Allee, über der die Baumkronen ein durchgehendes Dach bilden, ist eine unglaubliche Kulisse“, schwärmte Andi Wecker, leitender Producer bei Network Movie am Telefon. Durch ihren rund 1,5 Kilometer langen, schnurgeraden Verlauf eigne sie sich zudem hervorragend zum Filmen der Verfolgungsjagd.

Die war am Montagabend schon längst im Kasten. Trotz erster Ermüdungserscheinungen konzentrierte sich das Team auf deren Schluss-Szene, wo Detektivin Vera Gemini (Melika Foroutan) den Privatdetektiv Christian Zander (Charly Hübner) schließlich stellt und zum Reden bringen will. Filmleute sind Perfektionisten. Nicht nur, dass der Zugang zum Set dem Passieren einer Hochsicherheitsschleuse glich, auch entlang aller denkbaren und einiger undenkbarer Zuwegungen zur Straße waren freundliche, aber strenge Sicherheitsleute aufgestellt. Vor Ort herrschte hochprofessionelles Gewusel. Spiegelungen in Autoscheiben, Lichteinfall, Störgeräusche durch überquerende Flugzeuge, Überreste der Ausrüstung im Bild, all das zu verhindern hatte Aufnahmeleiter Stefan Bechem im Blick. Während Melika Foroutan und Charly Hübner ihre Texte durchgingen, tupfte die Maske ihnen den Schweiß aus dem Gesicht, jemand verteilte Ohrstöpsel gegen den Knall der Pistole und ein Kamera-Assistenz sprintete nach dem Ersatz-Akku.

Nur Peter Keglevic verströmte eine Ruhe, als säße er nicht im Zentrum des Orkans, sondern betrachte ihn durch eine Glasscheibe. Der in Salzburg geborene Drehbuchschreiber und Regisseur ist bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis für seine Verfilmung der Oetker-Entführung und dem Goldenen Löwen für „Die Roy-Black-Story“. Darüber hinaus gilt Keglevic als Krimi-Spezialist: Er drehte auch mehrere Tatort-Folgen und Episoden bei „Doppelter Einsatz“ und „Der Elefant“. Wann „Die dunkle Seite“ auf RTL gesendet wird, ist derzeit noch unklar.

Erschienen am 08.08.2007

Das wahre Leben

Freitag, 20. Juli 2007

Es ist verdienstvoll, dass das Medienlabor Potsdam und die „Politikfabrik“ junge Menschen die EU „abchecken“ lassen. Und es ist nötig. Denn obwohl die Abiturienten, Azubis und Studenten heute weltgewandt und weltoffen sind und mit 20 Jahren oft mehr von der Welt gesehen haben, als ihre Eltern mit 40 oder 50, rauscht die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit im Zielland häufig im Zug oder Bus an ihnen vorbei. Clubs sind halt keine Vorstädte, Strände keine Provinz und Bars keine Bergdörfer. Genau in letztere aber werden die EU-Checker gesandt, und die Pflicht zur Berichterstattung schürt das Interesse am Leben und Leiden dort. Selbst der gern und oft zu Recht vorgebrachte Einwand, es bewerbe sich ohnehin nur, wer schon politisches Interesse habe, zieht diesmal nicht: Durch die Auswahl per Abstimmung im Internet und dadurch, dass man die Reise online verfolgen und mitbestimmen kann, kommt ein wesentlich größerer Kreis von Jugendlichen mit dem wahren Leben vor Ort in Berührung. Nicht zuletzt ist es sympathische Werbung für Deutschland: Dass unsere Jugend so sehr an seinem Alltag interessiert ist, dürfte den rumänischen Bauern und den bulgarischen Vorstädter recht positiv überraschen.

Erschienen am 20.07.2007

„Karl Marx“ lässt Häuser liften

Dienstag, 17. Juli 2007

Eine Aufzug-Inbetriebnahme mit ministeriellem Beistand

AM STERN Ruth Rauter hatte mit vielem gerechnet an diesem Vormittag, aber nicht damit, dass der Minister begehrliche Blicke auf ihren Braten werfen würde. Doch Reinhold Dellmann (SPD), im Kabinett für Verkehr und Infrastruktur zuständig, tat genau das: Er stellte sich vor den Braten in Ruth Rauters Küche und sagte vernehmlich: „Der sieht aber lecker aus!“ Der Appetit war so deutlich zu hören, dass Frau Rauter, obschon bestrebt, eine gute Gastgeberin zu sein, sich gezwungen fand, zu antworten: „Ja, der ist für unseren Besuch, der gleich kommen wird.“

So zog der Minister knurrenden Magens wieder aus der Rauterschen Küche. Er hatte sie betreten, weil Ruth und Gerd Rauter die ersten Wiedereinzügler in der Galilei-Straße 73/75 sind, seit die Wohnungsgenossenschaft „Karl Marx“ das Haus aufwändig sanierte: mit neuem Wohnungszuschnitt, neuen Bädern, Wärmedämmung, neuer Fassade und einem Fahrstuhl, der dafür sorgt, dass 15 Wohnungen nun alten- und behindertengerecht zu erreichen sind. Rund 1,7 Millionen Euro hat das gekostet, und weil das Land im Rahmen eines Zuschussprogramms die Hälfte der Kosten des Aufzugs – etwa 90 000 Euro – übernahm, schaute auch der Minister zur Einweihung vorbei. Schließlich ist die Galileistraße 73/75 das erste Haus, das in den Genuss dieses im Zuge der Föderalismusreform an die Länder gewanderten Fördertopfes gelangte, der im Februar geöffnet wurde.

Es war Dellmans erster Termin nach dem Urlaub und es schien, als habe er gefastet: Auch WG-Chef Ulf Hahn musste den Minister enttäuschen, als der nach einer Testrunde mit dem Fahrstuhl fragen ließ, wo denn nun die Schnittchen zu finden seien. „Beim nächsten Mal wieder“, sagte Hahn, und machte ein Gesicht, als sei er beim Abschreiben ertappt worden.

Davon abgesehen war es ein guter Tag für den WG-Chef: Die hellen, großzügigen und leicht zugänglichen Wohnungen mit 46, 55 und 61 Quadratmetern Wohnfläche ernteten viel Lob und sind samt und sonders schon vergeben, nicht zuletzt wegen günstiger Mietpreise. Der Beginn der Sanierung und Erweiterung des nächsten Hauses steht noch in dieser Woche an: Am Kahleberg werden nicht nur zwei Stockwerke auf ein weiteres WG-Gebäude draufgesetzt, dank erneuter Förderung aus dem Hause Dellmann wird auch dort ein Aufzug das Erreichen der Wohnungen nicht nur für Alte und Behinderte erleichtern.

Die Rauters sind schon jetzt hochzufrieden. Sie sind trotz Baulärms früher zurückgezogen und erfreuen sich täglich am neuen Schnitt ihrer Wohnung, am breiten Korridor und dem großen Bad. Und am noch eben geretteten Braten.

Erschienen am 31.07.2007

Ein Schmuckstück

Freitag, 13. Juli 2007

Er wünsche sich die Überschrift „Villa Quandt macht Riesenfortschritte“, erklärte Demir Arslantepe nach einer Baustellenführung mit schelmischem Grinsen dem Pressetross. Der Baudenkmalpfleger der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten fügte hinzu, er wolle das nicht für sich, sondern für seinen geschundenen Presse-Chef, der unter der massiven Kritik an der neuen Parkordnung schwer leide. Nun sind Journalisten ein renitenter Haufen, der sich höchst ungern etwas vorschreiben lässt, und so musste dem Denkmalpfleger schon aus Prinzip seine Wunschzeile verwehrt werden. Davon abgesehen aber ist selbst bei kritischem Blick wenig auszusetzen am Baugeschehen in der Großen Weinmeisterstraße: Die Arbeiten liegen im Zeitplan, die künftigen Nutzer wurden, wo immer es ging, in die Planung einbezogen, und den Teilnehmern der Baustellenführung war die Begeisterung über die Wandlung der Villa von einer düsteren Ruine in ein helles, repräsentatives Schmuckstück deutlich anzusehen. Selbst die „Russensauna“ im Keller hat die Stiftung liebevoll restaurieren lassen, auch wenn sich wohl keine Nutzung dafür finden wird. Zusammengefasst heißt das wohl: Die Villa Quandt macht Riesenfortschritte.

Erschienen am 13.07.2007

Unverzichtbar

Dienstag, 10. Juli 2007

Es ist eine Plage, seine Erinnerungen an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Nachfolgende Generationen tendieren dazu, ihre Erfahrungen und ja, auch ihre Fehler, selbst machen zu wollen. Nachfolgende Generationen fühlen sich schnell belehrt oder – und das ist angesichts heikler Themen wie des Holocaust um so schlimmer – schlichtweg gelangweilt. Das trifft besonders auf Jugendliche zu, für die das irgendwie graue Vorzeit ist, die keinen Bezug zu ihrem Alltag zu haben scheint, der sich eher um Pop, Pickel und Pubertät dreht. Es ist nicht mal eine Saat, die schnell aufgeht, denn die Erfolge zeigen sich oft erst, wenn der Weitergebende nicht mehr lebt. Und nicht jeder ist ein Talent wie Anne Franks Freundin Hannah Pick-Goslar, das mühelos größere Säle fesselt.

Es kann aber auch ein Kinderspiel sein, Erinnerungen weiterzugeben. Nichts macht mehr Spaß, als etwas zu schaffen, das einen überdauert. Im Alter wächst der Wunsch, etwas über das Materielle Hinausreichendes zu hinterlassen. Wenn es auch noch in einer Gruppe wie den „Zeitzeugen“ geschieht, kann es kaum Schöneres geben. Doch egal, ob Weitergabe Frust oder Freude ist, eines ist sie sicher: unverzichtbar.

Erschienen am 10.07.2007

Freundinnen in schwerer Zeit

Dienstag, 10. Juli 2007

Hannah Pick-Goslar berichtete an der Voltaire-Schule von Anne Frank

INNENSTADT Es muss schwer sein für Hannah Pick-Goslar, in Anne Franks Tagebuch zu lesen. Besonders jene Stelle, in der Anne mutmaßt, ihre Freundin Hannah sei vermutlich längst tot. Seit Ende des Krieges ist es genau andersherum: Anne ist tot, Hannah lebt. Und sie wird nicht müde, davon zu berichten – davon, wie sie Anne kennen lernte, und was für finstere Zeiten es waren. In Amsterdam, wohin die beiden jüdischen Familien geflohen waren, als Hitler 1933 an die Macht kam, trafen die beiden Fünfjährigen aufeinander: Eine Begegnung im Gemüseladen, der erste Tag im Kindergarten, und Hannah und Anne sollten Freundinnen werden für den Rest ihres Lebens. Sie ahnten noch nicht, dass das nur noch wenige Jahre waren.

Soweit es ihre Kraft und Gesundheit zulassen, kommt Hannah Pick-Goslar aus Jerusalem oft nach Deutschland, um ihre und Annes Geschichte zu erzählen. Besonders oft kommt sie nach Brandenburg, und in die Landeshauptstadt am liebsten. Die Aula der Voltaire-Schule ist gut gefüllt an diesem Vormittag, fast 100 Schüler, vorrangig aus der achten und neunten Klasse begrüßen die energiegeladene Israelin mit kräftigem Applaus. Sie wirkt nicht wie 79 – straffer Gang, pechschwarzes Haar, elegante Kleidung, selbstsicheres Auftreten. Die Entschuldigung für ihr schlechtes Deutsch darf getrost als Koketterie verbucht werden: In ihrem rund einstündigen Vortrag, frei und ohne Pause gesprochen, unterläuft ihr kein Fehler, keine Betonung weist darauf hin, dass sie seit vielen Jahren im Nahen Osten lebt, nicht mal ein Wort sucht sie.

Hannah Pick-Goslar begeht auch nicht den Fehler, Anne Frank auf einen Sockel zu heben. Sie ist klug genug, zu wissen, dass ihr Tagebuch, das offenbar alle im Saal gelesen haben, für sich spricht. Die reale Anne mit ihren Schwächen zu zeigen, lässt die Schüler viel näher an das junge Mädchen heran, lässt sie stärker mitleiden, als es jeder Heroisierungs-Versuch könnte. Anne habe gern im Mittelpunkt gestanden, sagt Hannah Pick-Goslar, und ihre Mutter habe mit Recht gesagt: „Vielleicht weiß Gott alles, aber sicher ist: Anne weiß alles besser.“ Um so stärker und nachhaltiger hat sich die vom Typhus geschwächte, jämmerliche Gestalt mit der dünnen Stimme in Hannah Pick-Goslars Gedächtnis eingebrannt, der sie Jahre später, von einem Stacheldrahtzaun getrennt, im KZ Bergen-Belsen begegnete: Wenige Wochen nach diesem Zufallstreffen war Anne tot. Sie würde wohl glücklich sein, zu wissen, dass sie ihre Energie und Erzählkraft an ihre Freundin weitergegeben hat.

Erschienen am 10.07.2007

Engagement als Feigenblatt

Dienstag, 12. Juni 2007

Es ist ein von der Geschichte hundertfach widerlegter Irrtum, zu glauben, mit Gewalt ließe sich etwas zum Besseren wenden. Ein Irrtum, der unausrottbar ist. Rostock hat das erneut bewiesen: Einige Hundert autonome Steinewerfer genügten, den Protest tausender friedlicher Globalisierungsskeptiker zu diskreditieren.
Daran sind die Attac, Hedonistische Linke und wer sonst noch mittat beim Gipfelsoli, durchaus mitschuldig: Wer sich nicht deutlich vom gewaltsamen Protest distanziert, wer ein waberndes „Im Prinzip nicht, aber mal sehen, wie sich die Lage entwickelt“ propagiert, darf am Ende des Tages nicht klagen, wenn er sich von der öffentlichen Meinung in den Schwarzen Block, die Abordnung aggressiver Autonomer, versetzt sieht. Selbstverständlich gibt es zwischen beiden Gruppen große Unterschiede – aber eine überzeugende Erklärung, warum der Verzicht auf Gewalt die eigene Schlagkraft schmälert, war bislang nicht zu vernehmen.
Attac hat es ja versucht. Es wurde ein Bumerang. Als sich Peter Wahl vom Attac-Koordinierungsrat im März öffentlich von Gewalt beim G8-Gipfel distanzierte, distanzierte sich der Gipfel-Soli – ein Zusammenschluss verschiedenster Globalisierungsskeptiker – sofort von Attac. Es sei eine Frechheit, dass Attac sich anmaße, für alle zu sprechen, stand in der wütenden Pressemitteilung, nur, um den „eingeschlagenen Kuschelkurs“ mit der öffentlichen Meinung fortsetzen zu können.
Dabei gehört es doch zu den ewig bestrittenen Lebenslügen von Attac, dass diese prominenteste Gruppe der Globalisierungsskeptiker auch aufgrund von Gewalt zu ihrer Prominenz kam. Die Ereignisse von Genua 2001, wo bei gewaltsamen Protesten während eines G8-Gipfels ein Demonstrant getötet und hunderte verletzt wurden, platzierten Attac plötzlich an die Spitze der internationalen Bewegung. Es ist zynisch und doch dadurch nicht weniger wahr: Dass die Gruppe in den letzten Jahren Attraktivität und Mitglieder einbüßte, hat neben vielem anderen auch damit zu tun, dass es bei Protesten weniger Randale gibt.
Schaut man den gewaltbereiten Protestierern bei ihrem Tun zu, wird schnell klar, dass das vermeintliche Engagement für Afrika, die Umwelt und eine Regulierung der Finanzmärkte nur ein Vorwand ist, ein Selbstzweck, um sich an Autoritäten abzuarbeiten, um auch im reiferen Alter noch Räuber und Gendarm spielen zu dürfen – hinter dem Feigenblatt gesellschaftlichen Engagements. Nur ein paar Transparente und Buttons mit Losungen unterscheiden den Schwarzen Block bei seinen Scharmützeln mit der Polizei von Fußball-Hooligans, die sich zur Straßenschlacht treffen. Selbst renommierte Medien laufen hier regelmäßig einem Irrtum auf, wenn sie meinen, der vermeintliche Zweck solcher Proteste adle sie oder hebe sie zumindest über die tumbe Gewalt prügelnder Fußballfans hinaus.
Grundlegende Werte – und dazu gehört eine weit reichende Gewaltfreiheit – sind entweder universell oder obsolet. Es ist absurd, einen Grundwert zu verletzen, um einen anderen durchzusetzen. Wer mit Gewalt startet, kann nicht gutes vollbringen. Das gilt für die (über-)reagierende Staatsmacht ebenso.

(unveröffentlicht)

Bye-bye, Dahme-Spreewald!

Samstag, 9. Juni 2007

Alles ein großer Irrtum – ein Resümee nach 42 Tagen und 850 Kilometern

Mithin die charmanteste Eigenschaft von Vorurteilen ist deren Beständigkeit. Für einen Lokalschreiber aus dem Norden Brandenburgs, der für zwei Monate in den Süden verschickt wurde, schien die Sache klar: LDS ist im Grunde wie OHV, nur, dass es unterhalb Berlins liegt und landschaftlich nicht so viel zu bieten hat. 42 Arbeitstage, 850 gefahrene Kilometer zwischen Schönefeld und Lübben, Klein Wasserburg und Groß Köris und verbürgte 6,25 Liter koffeinhaltiger Getränke später bleibt nur ein Resümee: Irrtum! Zunächst einmal ist der prosperierende Süden trotz explodierter Orte im Speckgürtel landschaftlich viel schöner, als wir Nordbrandenburger überheblicherweise glauben. Gut, der strahlende Frühling machte alles noch schöner, aber dennoch: LDS ist schön, auch nördlich vom Spreewald. Zweiter Punkt: Sie haben vermutlich keine Ahnung, wie gut Sie es mit dem Dahme-Kurier haben! Glauben Sie mir, eine Lokalredaktion, die mit so viel Kreativität und – doch, ja: – Freude ihre Arbeit tut, ist selten. Allein die Zahl der Rubriken und Serien – diese hier eingeschlossen – übersteigt den Einfallsreichtum der meisten anderen Lokalzeitungen um ein Vielfaches. Und dann die Kontinuität: Seit vielen Jahren ist der Redaktionsstab nahezu unverändert – von der daraus resultierenden Vertrautheit mit der Region und dem Vertrauen der Akteure profitieren Leser wie Zeitung gleichermaßen. (Ich darf das ohne Verdacht der Lobhudelei sagen, ich habe mein Zeugnis bereits…)

Drittens, und das ist vielleicht das Wichtigste: LDS verströmt einen Optimismus, den man im strukturschwachen Norden vergeblich sucht. Sicher, der Südkreis könnte besser aufgestellt sein, aber Teltow-Vermögen, Flughafen und Speckgürtel machten nicht nur Straßen und Sanierungen möglich, sondern verhinderten eine Resignation, die vielleicht die schwerste Bürde des Nordens ist. Warum Sie sich jetzt anhören müssen, wie jemand Ihnen Ihren Kreis erklärt, der erst vor zwei Monaten kam und nun – der Volontärsrotation ist’s geschuldet – schon wieder weg ist? Weil manchmal erst die Außenperspektive hilft, zu sehen, was man längst für selbstverständlich hält. Ich jedenfalls werde LDS vermissen, das Herumirren zwischen Friedersdorf und Heidesee (wo liegt das?), die Verwirrung um Kiekebusch (gehört zu Waltersdorf, das Teil von Schönefeld ist), die Suche nach Rosa Luxemburg (ein Gag für regelmäßige Plauderei-Leser) und die Seen zwischen Wolzig und Märkisch Buchholz. Bye- bye, LDS, vielen Dank! Und verpetzt mich nicht im Norden!

Erschienen am 09.06.2007

Nachwuchs im Simulator-Park

Freitag, 8. Juni 2007

Lufthansa Training mit neuer Boeing 737 / Nachfrage in der Pilotenausbildung ungebrochen

SCHÖNEFELD War ja klar, dass es so kommen musste. Wenn ein Schreiber sich als Flieger versucht, ist die Bruchlandung programmiert. Wir setzen hart auf in Hong Kong. Zu hart. Die Boeing 737 bockt und springt wieder von der Landebahn hoch, bekommt eine bedrohliche Schieflage und schlägt dann schräg und mit der Nase voran auf den Asphalt. Das Bild friert ein. „Game Over“ sagt der Flugtrainer trocken, und die Häme ist unüberhörbar. „Maybe you shouldn’t consider becoming a pilot“ setzt er hinterher, in dem für Franko-Kanadier typisch französisch klingendem Englisch. Die Eleganz dieser Aussage ist unübersetzbar. De facto heißt es: Trottel!

Es ist der achte Flugsimulator in den Hallen der Lufthansa Flight Training (LFT) in Schönefeld, der an diesem Tag in Betrieb genommen wird. Und der erste der Firma Mechtronix aus dem kanadischen Quebec. „Wir haben uns für das Gerät entschieden, weil uns die Qualität, Zuverlässigkeit und der attraktive Preis überzeugt haben“, sagt LFT-Chef Florian Hamm zur Einweihung. Die geringeren Kosten könnten direkt an die Kunden, die ihre Ausbildungsstunden auf dem Gerät buchen, weitergegeben werden, fügt er an. Angesichts ungebrochen großer Nachfrage an Piloten und Pilotenausbildung ein Argument, das die Kundschaft gern hört. Der Trend zum Billigflieger mag den Bedarf erhöht haben, doch Easyjet, Germanwings & Co. haben auch die Kosten schärfer im Blick. Hauptkunde auf dem Mechtronix-Gerät wird die Tui Fly sein, die Fluggesellschaft des großen Touristik-Konzerns. „Wir benutzen das Gerät schon jeden Tag und sind sehr zufrieden“, verrät Joachim Kramer, Leiter der Piloten-Ausbildung bei der Tui Fly. Man habe lange mit sich gerungen, selbst einen Simulator anzuschaffen und schließlich entschieden, das lieber in den bewährten Händen der LFT zu belassen. „Unsere Kompetenz besteht darin, von A nach B zu fliegen. Das Training überlassen wir lieber den Profis“, so Kramer.

Da der Verkauf eines Simulators selbst für ein Unternehmen wie Mechtronix ein großes Ereignis ist, ist fast der gesamte Führungsstab nach Schönefeld gekommen. Geschäftsführer Xavier Herve übergibt ein zusätzliches Ausstattungsmerkmal des Simulators an Hamm und Kramer: Das integrierte Pain-Relief-System (Schmerz-Minderungs-System) in Form von zwei Flaschen Champagner.

„Es wäre ein Traum, mal für Euch zu arbeiten“, bekennt Florian Hamm im Gegenzug, der vor dem Kauf die Firma in der kanadischen Provinz Quebec besucht hatte. Betriebsklima und Führungsstil hätten ihn nachhaltig beeindruckt. Angesichts des Durchschnittsalters von 18 bis 23 Jahren unter den jungen Ingenieuren werde es aber wohl ein Traum bleiben.

Nach so vielen freundlichen Worten dürfen die Besucher der Einweihung selbst im Cockpit Platz nehmen und für 15 Minuten durch die Welt jetten – auf Wunsch auch selbst am Steuerknüppel. Nun scheiden sich die Luftfahrtprofis von den Presseleuten, die sehr schmerzhaft erfahren müssen, dass das Wort Schmierfink auf der ersten Silbe betont wird und mit Fliegen wenig zu tun hat. Selbst der Kollege, der in seiner Freizeit mit dem Segelflugzeug nach Höherem strebt, ist vom originalgetreuen Cockpit der 737 hoffnungslos überfordert. So sehr, dass er vor Aufregung auf der Startbahn mit dem Steuer zu lenken versucht, statt mit den Ruderpedalen. Los geht’s in Tegel, die Nase zeigt nach Osten, das Wetter ist im Wortsinn blendend. Der Start ist noch relativ einfach: Bremsen lösen, Gas geben, die Spur halten und im richtigen Moment hochziehen. Der Kollege ist dennoch in Schweiß gebadet. „Warm hier!“ sagt er. Ja, klar. Einmal in der Luft, entspannt er sich, ein Zustand, der dem kanadischen Trainer gar nicht behagt. Er lässt es nun richtig krachen: Dunkelheit, Nebel, Schneetreiben, drei entgegenkommende Maschinen – der arme Hobbyflieger ist voll beschäftigt. Erst der Anblick des Hongkonger Flughafens, traumhaft beleuchtet, entspannt ihn wieder. Es wird nicht lange anhalten. Die sechs Hydrauliksäulen, die das Cockpit in jede erdenkliche Richtung neigen können, bewegen sich nicht immer so butterweich. Sie können auch anders: Etwa, wenn die Nase des Riesenvogels mit einem gewaltigen Rumms auf die Landebahn kracht.

Erschienen am 08.06.2007

Ungehobelte Essensgäste

Dienstag, 5. Juni 2007

Wildschweine verwüsten Grundstücke / Rund zehn Vorgärten auf der Speiseliste

PRIEROS Es sieht nicht gut aus in Margot Ziebolds Garten, man muss das so direkt sagen. Er ist eher ein Sauhaufen. Der Steingarten ist über das Grundstück verteilt, die Kartoffeln aus dem Acker sind es auch, die Tulpenzwiebeln – was davon übrig ist – liegen über der Erde, und selbst der Kompost ist überall – nur nicht auf dem Haufen. Eine echte Schweinerei.

„Das Schlimmste ist aber, dass ich mich abends kaum noch raustraue“, sagt Margot Ziebold. Den Garten könne sie ja wieder richten, doch die Angst, die störe sie schon gewaltig. Schließlich haben die Verursacher des Schlamassels, eine Rotte Wildschweine, die nun schon zum dritten Mal im Zieboldschen Vorgarten ein unfeines Picknick feierte, gerade Frischlinge. Und mit Bachen ist dann nicht zu spaßen.

Das Ehepaar ist nicht das einzige, das unter dem ungebetenen Wühlkommando leidet. Etwa zehn Gärten in Ziebolds Viertel sind auf dem Speiseplan der Wildschweine verzeichnet, und auch im Neubaugebiet am Ahornweg wurden welche gesichtet. Ziebolds aber trifft es besonders hart: Sie wohnen direkt am Waldrand, so dass der Hunger noch am größten ist, wenn die Rotte ihren Garten stürmt. Bei den Nachbarn sind die ungehobelten Essensgäste schon wählerischer, das Ausmaß der Zerstörung daher geringer.

Es gibt wenig, was getan werden kann. Jagdpächter Horst Sauer habe darauf verwiesen, dass er im Wohngebiet nicht schießen darf, sagt Margot Ziebold. Er riet zu einem übelriechenden Mittel, das an den Zaun gehängt wird und die Schweine vertreiben soll. Seither müssen Ziebolds allerdings bei geschlossenem Fenster schlafen. Und die Nachbarn grüßen nicht mehr so freundlich wie früher.

Erschienen am 05.06.2007


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