Der Thron muss noch warten
Film: Frank-Walter Steinmeier besuchte Sets von Hexe Lilli und Sandmann
POTSDAM-BABELSBERG| „Schade, dass der Thron noch nicht da ist. Der hätte jetzt gut gepasst“, sagt jemand aus der Filmcrew von „Hexe Lilli“ zum Kandidaten Steinmeier. Der lächelt gequält. Selbst hier in den Babelsberger Studios, selbst an diesem sonnigen Sonntagnachmittag, kann der Wahlkämpfer die Umfragen nicht vergessen. Und natürlich ist Frank-Walter Steinmeier (SPD) im Wahlkampf hier, denn Filmstudios gehören für gewöhnlich nicht zu seinen Kernaufgaben als Außenminister. Ein ganzer Tross aus Studiomitarbeitern führt Steinmeier nach einem Gespräch mit Studiochef Carl Woebken über das aufwändige Set des zweiten „Hexe Lilli“-Films, der 2011 in die Kinos kommen soll. Steinmeier erfährt, dass es sich um eine für europäische Maßstäbe sehr aufwändige Produktion handelt, betrachtet interessiert den fertigen und professionell eingestaubten Basar und ist guten Mutes, bis im Thronsaal das traurige Lächeln sich durchringt. Die Thronassoziationen holen den Kandidaten in die Wirklichkeit der Umfragen zurück.
Doch der Besuch hat eine Menge Presse angelockt, das Drängeln und Schieben der Fotografen und Kameraleute in den engen Kulissen erinnert an modernen Ausdruckstanz. Steinmeier wirkt indes konzentriert, ja fast versunken. „Das wär kein Platz für mich“, sagt er angesichts des aufwändig gestalteten Thronsaals, „ansehen zu müssen, wie die Arbeit von Jahren nach drei Tagen überflüssig wird“. Was für ein Satz! Einem Reporter bricht vor Begeisterung der Bleistift ab. Steinmeier schaut ihn an, zieht sybillinisch die Mundwinkel hoch.
Per Elektrocar geht’s weiter zur Caligari-Halle. Händeschütteln mit Filmpark-Chef Friedhelm Schatz, dann erklärt Jan Bonath, wie der Sandmann gedreht wird. Es ist Tag 103 der 108-tägigen Produktion, das Set gilt als „heiß“, die Film-Mitarbeiter halten die Luft an, als Produzent Bonath Steinmeier den Hauptdarsteller in die Hand drückt. „Man kann ihn in jede Pose verbiegen, und die hält er dann“, sagt Bonath. Da staunt der Wahlkämpfer Steinmeier und schaut ein klein wenig neidisch. Als er den Sandmann wieder aus der Hand gibt, atmen zehn Leute von der Crew erleichtert auf.
Draußen sagt Steinmeier dann noch, dass er auf historischem Boden gestanden habe, dass nirgendwo auf der Welt länger Filme gemacht werden und dass Babelsberg nicht von der Geschichte, sondern von seiner Zukunft lebe. Dann muss er weiter. Sollte ihm das Volk wider Erwarten am 27. September auf den Thron heben, wird er wiederkommen. Carl Woebken sähe das gern. Er rühmte den Kandidaten als einen der Gründerväter des Deutschen Filmförderfonds, von dem Babelsberg sehr profitiert.
Erschienen am 24.08.2009