Was bleibt: Verwirrungsstrategie

Jetzt soll’s also Frau Richstein richten. Die hatte ja schon im September den richtigen Riecher, als sie mit ihrem Terrier Felix statt des eigenen Antlitzes auf ihren Wahlplakaten SPD-Minister Rainer Speer eine empfindliche Schlappe zufügte. Hübsch gewählt: Bissiger Hund, glücklicher Name. Jetzt soll Richstein, so das Kalkül der CDU, Oberbürgermeister Jann Jakobs im Wahlkampf jene Angst einflößen, die der eigentlich nur vor seinem Linken-Herausforderer Hans-Jürgen Scharfenberg hat. Die Idee: Wer einen SPD-Mann besiegt, besiegt auch andere. Und weil so ein bisschen oberbürgermeistern eine Powerfrau wie Barbara Richstein unmöglich ausfüllen kann – mit dem bisschen Rathaus ist man ja mittags fertig – bewirbt sie sich zugleich auch noch um den Parteivorsitz im Land, um auch die Nachmittage zu füllen. Die dafür eigentlich vorgesehene Parteifreundin Saskia Ludwig ist schließlich demnächst mit ihrem Erstgeborenen befasst und kann dann unmöglich Partei und Fraktion zugleich führen, neben der ganzen Windelwechselei. Soweit, so bissig. Das bisschen Gassigehen mit Felix lässt sich da sicher noch verquetschen – etwa auf dem Weg vom Stadthaus in den Landtag, mittags, beim Schichtwechsel.
Zu einem solchen Zweitjob rät ohnehin eine genaue Beobachtung der Stadt-CDU. Die säbelt nämlich schon mal aus heiterem Himmel verdiente Mitarbeiter aus exponierten Positionen ab, wie Stadtpartei-Urgestein Wolfgang Cornelius kürzlich leidvoll erfahren musste. Täte die Partei das auch mit ihrer Bürgermeisterin, könnte Richstein als Parteichefin hernach die Meuterer herauskatapultieren. Schlau, die Frau. Hintergrund all dieser Volten scheint ohnehin die nach wie vor nicht überwundene Lagerbildung in der CDU zu sein, die selbst für außenstehende Insider, vulgo: Journalisten, kaum mehr zu überblicken ist. Cornelius etwa wurde geschasst, weil er als Anhänger der Kreischefin Katherina Reiche gilt, die wiederum dem Lager ihres Ehemannes Sven Petke angehört. Der wiederum ist der Antipode des Ex-Parteivorsitzenden Ulrich Junghanns. Auf den folgte Johanna Wanka, die nun nach Niedersachsen wechselt, um dort Wissenschaftsministerin zu werden. Die Opposition hier lag ihr nicht so. Wanka galt zwar als lagerübergreifende Kandidatin, hatte aber ein angespanntes Verhältnis zum Petke-Reiche-Lager. Barbara Richstein wiederum wird eben diesem Lager zugerechnet, folglich müsste die Stadtfraktion mit ihrer eigenen Bürgermeisterkandidatin ein Problem haben. Testfrage: Welchem Lager gehört wer in der Stadtfraktion an? Das verspricht ein lustiger Wahlkampf zu werden. Zumal die FDP ohnehin beleidigt ist, dass man keinen gemeinsamen Kandidaten fand und eventuell die Gefolgschaft verweigert. Aber vielleicht ist das alles auch nur eine clevere, großangelegte Verwirrungsstrategie, um die Gegenseite in Sicherheit zu wiegen. Falls ja: Sie funktioniert. Das Händereiben bei den Linken ist unüberhörbar.

Erschienen am 22.04.2010

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