Rolle rückwärts
Jan Bosschaart über den erfolgreichen Start des Babybegrüßungs-Dienstes
Der Name des Babybegrüßungs-Dienstes ist irgendwie lustig. „Dienst“ kommt (auch) vom griechischen „diakonia“, was soviel wie „eine praktische Handreichung geben“ bedeutet. Demnach wäre das Angebot der Stadt eine Handreichung zum Begrüßen von Neugeborenen… Doch die Sache ist ernst, wie nicht erst die mit verstärkter Medienaufmerksamkeit bedachten Fälle von Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und -tötung beweisen: Das enge Netz der Kontrolle über die Entwicklungsbedingungen von Babys, wie es DDR-Bürger gewohnt waren, musste in einem weniger überwachenden, die Privatsphäre stärker respektierenden politischen System zwangsläufig weiter werden. Dass nun auch hier eine Rolle rückwärts vollzogen wird, dass eine der beiden hauptberuflichen Babybegrüßerinnen in der DDR-Mütterberatung tätig war, mag manchem Ostalgiker wie geschickt umgegossener alter Wein in neuen Schläuchen erscheinen, zumal der Dienst mit viel Rummel gestartet wurde. Den Nutznießern des Ganzen, die noch nicht für sich allein sorgen können, kann das herzlich egal sein. Mit 1480 Babys hatte Potsdam schon Mitte Dezember einen Nachwende-Rekord. Und wenn auch nur eine Vernachlässigung verhindert wird, hat das lustige Begrüßen seinen Zweck erfüllt.
Erschienen am 29.12.2007