Zum Spielball degradiert

Wozu brauchen die USA einen Raketenabwehrschild in Europa? Zum Schutz vor Angriffen aus Schurkenstaaten, sagt die US-Regierung. Doch wer soll hier eigentlich geschützt werden? Hat Europa nach diesem Schutz gerufen? Umfragen zufolge sind selbst zwei Drittel der Polen und fast drei Viertel der Tschechen gegen die Stationierung amerikanischer Abfangraketen und Radarstationen in ihrem Land. Und: Die Bedrohung bleibt – zunächst und mindestens auf zehn Jahre hinaus – abstrakt. Iran und Nordkorea sind weit davon entfernt, mit ihren Raketen bis auf mittel- oder westeuropäisches Territorium vorzudringen. Wissenschaftler zweifeln, ob das je möglich wird. Ähnliche Bedenken gelten für den US-Abwehrschild, der vor turmhohen technischen Schwierigkeiten steht.
Doch auch Putins „ernsthafte Bedrohung Russlands“ ist nur konstruiert. Zehn Abfangraketen taugen nicht für einen Angriff, und sie würden angesichts tausender russischer Atomwaffen die militärische Schlagkraft des Landes nicht nennenswert schwächen.
So entsteht der Eindruck, Bushs vorgebliche Sorge um die europäischen Verbündeten und Putins überzogene Kalter-Kriegs-Rhetorik dienen nur den beiden Supermächten: der einzig verbliebenen und der gerade mit aller Macht wieder aufstrebenden. Europa verkommt dabei zum Spielball der Interessen, und erschreckend brav, fast schon reflexartig, lässt es sich für einen Schutz instrumentalisieren, dessen es möglicherweise gar nicht bedarf. Jene Politiker, die für Europa eine gewichtigere Rolle in der Weltpolitik anstreben, können von Bush und Putin noch eine Menge lernen.

(Veröffentlicht am 12. Juni 2007)

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