DAS WAR DIE WOCHE: Ordnungsrufe

Fast hätten wir die Redaktion ins städtische Klinikum verlegen können: Das „Ernst von Bergmann“ war in dieser Woche in aller Munde – zugegebenermaßen eine geschmacklose Formulierung ist, ging es doch um Darmkeime. Das Stimmungsbild im Krankenhaus, hätte man es über die Woche aufgezeichnet, muss ungefähr wie die EKG-Kurve eines Patienten mit Herzstolpern ausgesehen haben: Die Fusion der Kinderklinik mit Brandenburg kann kommen, das Herzzentrum ist hingegen vom (OP-)Tisch. Es wurden weitere, wenn auch harmlose Darmkeime auf der Säuglingsstation entdeckt, deren Herkunft weiterhin (Achtung, fades Wortspiel:) im Dunklen bleibt, der Obdachlosenbus erwies sich hingegen als voller Erfolg. Dafür war die Notaufnahme am Donnerstag dank Wintereinbruchs komplett überlaufen. Oder besser überhumpelt und überkrückt.

Böse Zungen behaupten, es wären die beiden besten Nachrichten der Stadtverordnetenversammlung gewesen: Zwei Abgeordnete kündigten ihren Rückzug an: Der eine, Hannes Püschel (Die Andere) direkt, weil seine Fraktion im Jahresrhythmus ihre Abgeordneten rotiert. Der andere, Andreas Menzel (Grüne) indirekt, in dem er auf die schnelle Bearbeitung einer Anfrage drängte, da er befürchte, die Antwort sonst in seiner Zeit als Parlamentarier nicht mehr mitzubekommen. Menzel ist zugleich nervtötend anstrengend und bewundernswert hartnäckig, er kämpft bis zum Letzten um Uferwege und Akteneinsichten und setzt sich auch gern eine Clownsnase im Plenum auf, wenn ihm eine Antwort nicht passt. Püschel indes gehörte zu den unterhaltsamsten Stadtverordneten, weil er eigentlich nur provozierte, meist in einem nicht zitierfähigen Ausmaß, zugleich damit aber jede Sitzung spürbar dehnte. Kaum eine Wortmeldung des Ultralinken, die ohne das Wort „faschistoid“ auskam, auch wenn es nur um Wohnungsneubau ging. In seinem letzten Redebeitrag kündigte er vorsorglich an, er werde gleich einen Ordnungsruf erhalten, wolle er doch kurz von „Scheiße“ in Zusammenhang mit der Mietpolitik reden. Er bekam ihn. Schließlich war es Nikolausvorabend, da wollte der Präsident mit diesem Abschiedsgeschenken nicht knickrig sein.

Doch mal im Ernst: Beide gehen wohl eher, weil sie sich in Parlament und Ausschüssen so echauffiert haben, dass ihnen nun die Frühverrentung droht. Davon sind laut einer Studie immer mehr Potsdamer betroffen – aus psychischen Gründen. Was die beiden danach tun, ließen sie offen. Andreas Menzel dürfte eine Einkommenshalbierung drohen, gehörte er doch zu den Bestverdienern, weil er in seinem Kampf gegen die Verwaltung stets den Verdienstausfall als Selbstständiger geltend machen konnte und gerade diese Woche auch noch die Umsatzsteuer nachforderte. Hannes Püschel empfehlen wir einen Trend, der in Potsdam gerade ankommt: Guerilla-Stricken. Das ist hinreichend subversiv und beruhigt zugleich die Nerven. Vielleicht strickt er am Ende gar Wohnraum für 3,20 Euro kalt je Quadratmeter.

In der Spritzenhalle am Bahnhof gibt’s den dritten Anlauf, ein Restaurant zur eröffnen. Nachdem die monströs dekolletierten Mädels der Hooters-Kette nur wenige Wochen in knappen Shorts durch die Räume tänzelten und das „Aschinger“ wegen Nazivorwürfen gar nicht erst öffnete, versucht sich nun ein Dritter. Der Name ist für die Halle einerseits treffend und andererseits für die Gäste hoffentlich nicht Programm: Wartesaal.

(Erschienen am 08.12.2012)

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