Sieben Gramm Geschichte für 7,5 Millionen Euro versteigert
Er steckte in der preußischen Krone und gehörte dem Haus 310 Jahre: Der Diamant „Beau Sancy“ wurde gestern an einen anonymen Bieter verkauft
POTSDAM/GENF Es sind nicht einmal sieben Gramm, doch obgleich lupenrein, haben sie es in sich: Mehr als 400 Jahre europäischer Geschichte stecken im „Beau Sancy“, einem Diamanten aus dem preußischen Kronschatz, der gestern Abend auf einer Auktion in Genf für umgerechnet 7,5 Millionen Euro verkauft wurde – an einen anonym bleibenden Bieter. Das Auktionshaus Sotheby’s hatte das Kronjuwel auf 1,5 bis drei Millionen Euro taxiert. Rund sieben Minuten dauerte die Auktion, fünf Bieter steigerten am Telefon und im Auktionsraum um „einen der bedeutendsten historischen Diamanten, der je zur Auktion kam“, so der Auktionator.
Friedrich I., der 1701 die Königswürde nach Preußen holte, ließ den fast 35 Karat schweren Edelstein, der schon damals berühmt und daher prestigeträchtig war, 1702 in die Königskrone einarbeiten. Sein Enkel Friedrich II. schenkte den Stein seiner Gattin, und seither trugen alle preußischen „First Ladys“ den im Doppel-Rosenschliff gehaltenen größten Edelstein des Hauses Preußen (zirka 23 mal 20 mal 11 Millimeter) bei ihrer Hochzeit und anderen hohen Anlässen. Georg Friedrich Prinz von Preußen, dem derzeitigen Oberhaupt des Hauses, dürfte die Entscheidung zum Verkauf nicht leichtgefallen sein. Die Familie habe viele Renten und sonstige finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen, die den Verkauf erforderlich machten, sagte eine Sprecherin des Hauses.
Georg Friedrich heiratete ohne Kronschmuck im August 2011 in Potsdam. Zuletzt getragen wurde der Diamant bei der Hochzeit des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. von dessen Gattin Auguste Viktoria. Der Stein stammt aus den berühmten indischen Minen nahe der Stadt Golconda, aus denen die weltweit bekanntesten Diamanten kamen.
Schon bevor der Stein in preußische Hände fiel, hatte er eine bewegte Geschichte hinter sich. Erworben vom „Lord von Sancy“ in Konstantinopel im Jahr 1500, kaufte ihn 1604 der französische König Heinrich IV. auf Drängen seiner Gattin Maria de Medici. Die ambitionierte Adlige sah das Juwel als Prestigeobjekt. Als Heinrich IV. 1610 ermordet wurde und seine Frau vorübergehend den Thron bestieg, ließ sie den Stein in ihre Krone einarbeiten. Maria musste 1631 in die Niederlande fliehen und verkaufte den Beau Sancy an das Haus Oranien-Nassau (Niederlande) für 80 000 Gulden – damals die höchste Ausgabe im Staatshaushalt des gesamten Jahres. Durch die Hochzeit eines Nassauischen Königs mit Maria Stuart gelangte der Stein nach Schottland, später an den Thron von England und fiel schließlich wegen Kinderlosigkeit wieder an Oranien-Nassau zurück. 1702 übernahm der Preuße Friedrich I. das Vermächtnis des Hauses von Oranien und gelangte so in den Besitz des europaweit berühmten Diamanten, der perfekt zur soeben errungenen Königswürde Preußens passte. Dort blieb der Stein 310 Jahre lang. Nach Abzug der Provision von rund 800 000 Euro bleiben dem Haus Preußen nun Einnahmen von rund 6,7 Millionen Euro – und ein schmerzlicher Verlust.
Erschienen am 16.05.2012