Knapp 7 Gramm
Geschichte Preußenprinz verkauft prestigereichsten Diamanten aus dem Kronschatz
Um finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen, lässt das aktuelle Oberhaupt der Hohenzollern-Familie einen Edelstein versteigern, der wie kaum ein zweiter die europäische Adelsgeschichte dokumentiert.
POTSDAM/GENF Es sind nicht einmal sieben Gramm, doch obgleich lupenrein, haben sie es in sich: Mehr als 400 Jahre europäischer Geschichte stecken im „Beau Sancy“, einem Diamanten aus dem preußischen Kronschatz, der am 15. Mai in Genf zur Auktion kommt. Friedrich I., der die Königswürde nach Preußen holte, ließ den fast 35 Karat schweren Edelstein, der schon damals berühmt und daher prestigeträchtig war, in die Königskrone einarbeiten. Sein Enkel Friedrich II. schenkte den Stein seiner Gattin, und seither trugen alle preußischen „First Ladys“ den im Doppel-Rosenschliff gehaltenen größten Edelstein des Hauses Preußen (zirka 23 mal 20 mal 11 Millimeter) bei ihrer Hochzeit und anderen hohen Anlässen. Es darf daher vermutet werden, dass Georg Friedrich Prinz von Preußen, der im August in Potsdam geheiratet hat, die Entscheidung zum Verkauf dieses wertvollen Familienerbstückes nicht leicht gefallen ist. Die Familie habe viele Renten und sonstige finanzielle Verpflichtungen zu erfüllen, die den Verkauf erforderlich machten, hieß es dazu knapp von einer Sprecherin. Zuletzt getragen wurde der Diamant nach Kenntnis des Hauses bei der Hochzeit des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II. von dessen Gattin Auguste Viktoria. Als Wilhelm II. 1918 ins Exil floh, blieben die Kronjuwelen in Berlin. Im zweiten Weltkrieg wurden sie in eine zugemauerte Krypta in Bückeburg gebracht, wo sie britische Truppen fanden und dem Haus Preußen schließlich zurückgaben.
Auf rund 1,5 bis drei Millionen Euro Wert schätzen die Gutachter des Auktionshauses Sotheby’s den Stein, der aus den berühmten indischen Minen nahe der Stadt Golconda stammen soll, aus denen die weltweit bekanntesten Diamanten stammen, auch der „große Bruder“ des „Beau Sancy“, der „Grand Sancy“, mit rund 55 Karat (elf Gramm) deutlich schwerer.
Doch auch bevor der Stein in preußische Hände fiel, hatte er schon eine bewegte Geschichte hinter sich. Erworben vom „Lord von Sancy“ in Konstantinopel im Jahr 1500, kaufte ihn 1604 der französische König Heinrich IV. auf Drängen seiner Gattin Maria de Medici, die um so nachdrücklicher bat, als sie erfuhr, dass der große „Sancy“ an die englische Krone verkauft war. Als Heinrich IV. 1610 ermordert wurde und seien Frau vorübergehend den Thron bestieg, ließ sie den Stein in ihre Krone einarbeiten. Maria musste 1631 in die Niederlande fliehen und verkaufte den Beau Sancy an das Haus Oranien-Nassau (Niederlande) für 80 000 Gulden – damals die höchste Ausgabe im Staatshaushalt des gesamten Jahres. So ging es weiter: Durch die Hochzeit eines Nassauischen Königs mit Maria Stuart gelangte der Stein nach Schottland, später an den Thron von England und fiel schließlich wegen Kinderlosigkeit wieder an Oranien-Nassau zurück. 1702 übernahm der Preuße Friedrich I. das Vermächtnis des Hauses von Oranien und gelangte so in den Besitz des prestigereichen Diamanten, der perfekt zur soeben errungenen Königswürde passte. Dort blieb der Stein fast 300 Jahre. Georg Friedrich – auch er ist noch ein Prinz von Oranien – verkauft also nicht nur ein Prestigeobjekt der Familienhistorie, sondern auch ein Stück europäischer Geschichte.
Erschienen am 01.03.2012