Professionalität statt Aufregung
Es war keine Sternstunde der Fernsehberichterstattung: Bis auf die Moderatorin traten bei der letzten Landtagswahl in Sachen-Anhalt Politiker und Journalisten geschlossen vom MDR-Tisch zurück, als die Fragerunde beim Abgeordneten der NPD ankam. Es war noch viel weniger eine Sternstunde des Journalismus, wie die Moderatorin im Gespräch mit dem Mandatsträger umsprang. Ihre aufgeregte Art, ihre Fragen, die eine Antwort schon enthielten und ihr beständiges Unterbrechen des Gegenübers waren von Interviewkultur und kritischem Journalismus meilenweit entfernt. Die gesamte Aktion wirkte selbstgerecht, aufgesetzt und eitel: „Guckt mal, Rechte sind pfui, und wir zeigen, wie man mit ihnen umspringt!“
Selbstredend ist der Einzug rechter Parteien in Landes- und Kommunalparlamente eine Herausforderung für die Demokratie – und damit für den Journalismus. Er ist auch ein Prüfstein dafür, wie stark und wie sicher die Demokratie sich ihrer selbst ist. Als spontane Reaktion von Bürgern wäre der Vorfall an diesem Abend ein schönes Zeichen gegen rechts gewesen. Als konzertierte Aktion der Politiker wirkte er zwar inszeniert, nahm aber zumindest die parlamentarische Isolation der Fraktion vorweg. Als journalistischer Umgang mit dem Vertreter einer Partei, auf die mehr als fünf Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen, war der Vorfall peinlich.
Journalisten sollten sachlich bleiben. Sie sollten berichten, aufklären, Hintergründe durchsichtig machen. Für einen Kommentar war an diesem langen Wahlabend genug Sendezeit, er musste nicht in Form eines Interviews erfolgen, das diesen Namen kaum verdient. Da wäre selbst ein völliger Verzicht auf eine Aussage des NPD-Abgeordneten besser gewesen. Denn was erreicht der Journalist auf diese Weise? Bei den Zuschauern, die ohnehin gegen NPD und DVU sind, erzielt er vielleicht Schadenfreude oder oberflächlichen Beifall: „Dem haben sie es aber gegeben!“ Dennoch bleibt eine gewisse Irritation ob des tendenziösen und aufgeregten Umgangs mit dem Parteivertreter. Schlimmer aber ist: Jene Zuschauer, die DVU oder NPD gewählt hatten oder wählen würden, werden ausgegrenzt: Eine wichtige Chance, sie ins Gespräch zurückzuholen – und auch das ist eine journalistisch Aufgabe, gesellschaftliche Debatten anzustoßen, zu moderieren und die eigenen Zuschauer/Leser/Hörer ins Boot zu holen – ist vertan. Das Gefühl gesellschaftlicher Ausgrenzung ist ein häufiger Grund, radikale Parteien zu wählen. Unterstellen wir der MDR-Moderatorin beste Motive, so hat sie ihrer Sache damit doch letztlich einen Bärendienst erwiesen.
Wie also sollten sich Journalisten verhalten? Die Antwort ist im Grunde leicht: professionell, wie sie es gelernt haben. Sie sollten unaufgeregt bleiben, um den Rechten nicht mehr (emotionale) Aufmerksamkeit zu verschaffen, als notwendig ist; kritisch, aber sachlich berichten, wenn es um die alltägliche Arbeit dieser Parteien in den Parlamenten geht; Absichten, Ziele und Methoden der Rechten gründlich recherchieren und, wenn nötig, aufdecken; ihnen keine Spezialbehandlung angedeihen lassen, die sie unnötig ins Rampenlicht öffentlicher Aufmerksamkeit hebt; sie aber auch nicht ignorieren, denn im Verborgenen sind diese Parteien gefährlicher als unter öffentlicher Beobachtung – und kommentieren, wenn es unerträglich oder ungeheuerlich wird, bei fremdenfeindlichen Reden etwa, bei Taten allzumal, oder beim Leugnen des Holocaust.
Selbstverständlich müssen der geistige Horizont, das überschaubare Weltbild und die Absichten von NPD und DVU transparent gemacht werden. Anlässe dafür gibt es genug. Meist bedürfen diese Parteien der journalistischen Schützenhilfe gar nicht: Sie sind zerstritten und in ihrer parlamentarischen Arbeit derart bedeutungslos, dass von ihrem Einzug in die Parlamente zwar ein sehr negatives Signal ausgeht, ihre reale Gefahr aber gering ist – zum Glück. Professionelle Arbeit statt aufgeregter Ignoranz: dann klappt’s auch „mit“ den Rechten.
(Veröffentlicht am 10.11.2006; Text während des „Assessment-Centers“ der MAZ)