Engagement als Feigenblatt
Es ist ein von der Geschichte hundertfach widerlegter Irrtum, zu glauben, mit Gewalt ließe sich etwas zum Besseren wenden. Ein Irrtum, der unausrottbar ist. Rostock hat das erneut bewiesen: Einige Hundert autonome Steinewerfer genügten, den Protest tausender friedlicher Globalisierungsskeptiker zu diskreditieren.
Daran sind die Attac, Hedonistische Linke und wer sonst noch mittat beim Gipfelsoli, durchaus mitschuldig: Wer sich nicht deutlich vom gewaltsamen Protest distanziert, wer ein waberndes „Im Prinzip nicht, aber mal sehen, wie sich die Lage entwickelt“ propagiert, darf am Ende des Tages nicht klagen, wenn er sich von der öffentlichen Meinung in den Schwarzen Block, die Abordnung aggressiver Autonomer, versetzt sieht. Selbstverständlich gibt es zwischen beiden Gruppen große Unterschiede – aber eine überzeugende Erklärung, warum der Verzicht auf Gewalt die eigene Schlagkraft schmälert, war bislang nicht zu vernehmen.
Attac hat es ja versucht. Es wurde ein Bumerang. Als sich Peter Wahl vom Attac-Koordinierungsrat im März öffentlich von Gewalt beim G8-Gipfel distanzierte, distanzierte sich der Gipfel-Soli – ein Zusammenschluss verschiedenster Globalisierungsskeptiker – sofort von Attac. Es sei eine Frechheit, dass Attac sich anmaße, für alle zu sprechen, stand in der wütenden Pressemitteilung, nur, um den „eingeschlagenen Kuschelkurs“ mit der öffentlichen Meinung fortsetzen zu können.
Dabei gehört es doch zu den ewig bestrittenen Lebenslügen von Attac, dass diese prominenteste Gruppe der Globalisierungsskeptiker auch aufgrund von Gewalt zu ihrer Prominenz kam. Die Ereignisse von Genua 2001, wo bei gewaltsamen Protesten während eines G8-Gipfels ein Demonstrant getötet und hunderte verletzt wurden, platzierten Attac plötzlich an die Spitze der internationalen Bewegung. Es ist zynisch und doch dadurch nicht weniger wahr: Dass die Gruppe in den letzten Jahren Attraktivität und Mitglieder einbüßte, hat neben vielem anderen auch damit zu tun, dass es bei Protesten weniger Randale gibt.
Schaut man den gewaltbereiten Protestierern bei ihrem Tun zu, wird schnell klar, dass das vermeintliche Engagement für Afrika, die Umwelt und eine Regulierung der Finanzmärkte nur ein Vorwand ist, ein Selbstzweck, um sich an Autoritäten abzuarbeiten, um auch im reiferen Alter noch Räuber und Gendarm spielen zu dürfen – hinter dem Feigenblatt gesellschaftlichen Engagements. Nur ein paar Transparente und Buttons mit Losungen unterscheiden den Schwarzen Block bei seinen Scharmützeln mit der Polizei von Fußball-Hooligans, die sich zur Straßenschlacht treffen. Selbst renommierte Medien laufen hier regelmäßig einem Irrtum auf, wenn sie meinen, der vermeintliche Zweck solcher Proteste adle sie oder hebe sie zumindest über die tumbe Gewalt prügelnder Fußballfans hinaus.
Grundlegende Werte – und dazu gehört eine weit reichende Gewaltfreiheit – sind entweder universell oder obsolet. Es ist absurd, einen Grundwert zu verletzen, um einen anderen durchzusetzen. Wer mit Gewalt startet, kann nicht gutes vollbringen. Das gilt für die (über-)reagierende Staatsmacht ebenso.
(unveröffentlicht)