DAS WAR DIE WOCHE: Parteifreunde
Das Ansehen der Mayas als gebildetes Kulturvolk darf nun, da es der 22. Dezember geworden ist und Sie diese Zeilen lesen, als weitgehend ruiniert gelten. Sicher, es gab Anzeichen dafür, dass der versprochene Weltuntergang ausbleibt: Chronische Scherzkekse verwiesen seit Wochen darauf, dass der Handel „Maja-Kalender 2013“ führt – auch wenn nur eine gestreifte Comic-Biene auf dem Titel prangt. Dennoch mischt sich nun vielerorts auch Enttäuschung unter die Erleichterung: All jene, die vorgestern falsch geparkt hatten, weil sie dachten, das Ticket ohnehin nicht mehr bezahlen zu müssen, bekamen nun im Wortsinn die Quittung für ihren Aberglauben. All jene, die ihren Verwandten, Freunden oder Ehepartnern am Donnerstagabend mal ins Gesicht husteten, was sie seit Jahren schon loswerden wollten, werden sich nun mit spät eingekauften Weihnachtsgeschenken besonders ins Zeug legen müssen, um den gesellschaftlich geforderten Weihnachtsfrieden zumindest leidlich wiederherzustellen. Und alle, die im Vertrauen auf die Mayas gar nicht erst Weihnachtsgeschenke gekauft hatten, werden heute und morgen zusätzlich die Läden und Passagen fluten. Fröhliches Last-Minute-Kaufen! Als klassisches Trostgeschenk empfehlen wir entweder die Filme „Apocalypse now“ und „Der Morgen stirbt nie“ oder für die Musikfreunde „Highway to Hell“ und Gloria Gaynors unsterbliche (!) Klassiker „I will survive“ und „Never Can Say Goodbye“.
Es gibt dieses seltsame Zwischenstadium bei Kindern, in denen sie noch nicht völlig bereit sind, den Glauben an den Weihnachtsmann fallen zu lassen, der erwachende Intellekt aber erste Zweifel anmeldet: Wie schafft der Mann das logistisch, an nur einem Abend hunderte Millionen von Kindern zu beliefern? Eine erste Ahnung konnte bekommen, wer am Donnerstag versuchte, den Pfaden von Linken-Fraktions-Chef Hans-Jürgen Scharfenberg zu folgen: Der war zunächst in der Suppenküche der Volkssolidarität, um die von ihm initiierte Spende einer neuen Küche seitens eines Möbelhauses anzukündigen, wechselte dann flugs in den Jugendclub Offline, für den er eine Spende über 7500 Euro für Kochinseln bei seinem Parteifreund und Finanzminister Helmuth Markov locker gemacht hatte und schaffte es irgendwie noch, die Übergabe von Schokoladenweihnachtsmännern im Kindertreff am Stern dazwischenzuklemmen – und das alles ohne Rentierschlitten und religiöse Bindung. Respekt!
Die altbewährte Steigerung von Feind lautet bekanntlich Feind – Todfeind – Parteifreund. Dass das mehr als ein Kalauer ist, exerziert die FDP gerade durch. Die nahm im Sommer einen Brauhausberg-Aktivisten auf, und hat das – mutmaßlich – zwischenzeitlich schon ein paar Mal bereut: Das erste Mal, als er unabgestimmt eine Pressemitteilung im Namen der Partei herausgab, das zweite Mal, als er diese Woche den Rücktritt des noch recht frischen Fraktionsvorsitzenden von seinem Mandat forderte und denselben „inkonsequent“, „moralisch verwerflich“ sowie mit zu wenig „Demokratieverständnis“ und „moralisch-ethischen Grundsätzen“ ausgestattet schimpfte. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die FDP gerade erst einige Querelen um die Wahl ihrer Bundestagskandidatin durchlitten hatte, Vorstandsrücktritt inklusive. Wenn Freunde laut Sprichwort die Verwandtschaft sind, die man sich selbst aussucht, so scheint das für Parteifreunde nur begrenzt zu gelten.
(Erschienen am 22.12.2011)