Ein halbes Leben unter Rentnern
Erich Pfeil ist der dienstälteste Bewohner im Wildauer Seniorenheim
WILDAU Wer ins Seniorenheim geht, hat oft nur noch eine sehr überschaubare Lebenszeit vor sich. Nicht unbedingt eine schlechte, aber eine überschaubare. Als Erich Pfeil am 18. April 1972 ins „Feierabendheim Dr. Georg Benjamin“ geht, ist der gleichaltrige Erich Honnecker gerade Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED geworden. In München finden im selben Jahr Olympische Spiele statt, Willy Brandt übersteht in Bonn ein Misstrauensvotum, und in den USA erschüttert der Watergate-Skandal das Weiße Haus. Heute, 35 Jahre später, ist das alles längst Geschichte. Erich Pfeil aber wohnt immer noch in jenem Haus, das mittlerweile Seniorenheim Wildau heißt. Genau genommen ist es seit dem Umbau 1997 auch nicht mehr das gleiche Haus. Erich Pfeil bekam ein neues, größeres, schöneres Zimmer. Er ist mittlerweile 85 Jahre alt, die Gesundheit machte es nötig, dass er schon mit knapp 50 Jahren ins Feierabendheim ging, auch, weil Verwandte fehlten, die sich um ihn kümmern konnten.
Viele Schwestern, die ihn heute betreuen, haben noch gar nicht gelebt, als Pfeil ins Heim kam. Unzählige Mitarbeiter hat er kommen und gehen sehen, nur zwei oder drei waren schon dort tätig, als Erich Pfeil mit seinem abgewetzten Koffer einzog. Von den damaligen Bewohnern lebt kein einziger mehr. Mit großem Bahnhof wurde das Jubiläum gestern begangen. Für Erich Pfeil gab es ein Glas Sekt, viele gute Wünsche und freie Wahl beim Mittagessen. „Er hat sich Gänsekeule gewünscht“, sagt Heimleiterassistentin Petra Furmanek. Die Mitbewohner werden es ihm gönnen. Pfeil sei sehr beliebt, habe früher, soweit er konnte, viel mit angepackt und sei gern mit anderen an der frischen Luft, ist zu erfahren.
Große Wünsche habe er nicht mehr, verrät Erich Pfeil, der manchmal etwas Mühe hat, dem Gespräch zu folgen. Aber ans Schwarze Meer, da würde er gern mal hin. Sein Urlaubsschein liege in der Direktion schon lange vor, erklärt er mit einem Lächeln. Schwer zu sagen, ob das als Scherz gedacht ist.
Erschienen am 19.04.2007