Einsamer Protest ohne Promille

Gedenken. Mit Wodka wollten die Linken ans Kriegsende erinnern, doch es blieb bei Zitronenlimonade

Falkensees linke Jugend lud zur 24-stündigen Mahnwache auf dem Rathausvorplatz. Wegen polizeilicher Auflagen erwies sich das als kein leichtes Unterfangen.

FALKENSEE Es sollte ein Protest gegen Faschismus mit viel Promille werden: Wodka, Transparente, eine Mahnwache über Kerzen, um an das Kriegsende am 8. Mai 1945 und die Bücherverbrennung in Falkensee am 5. Mai 1933 zu erinnern. Kurz nach 15 Uhr am Freitag brennen aber nicht mal die Kerzen: Der Wind bläst sie immer wieder aus. Sebastian, Luise und ein dritter Mitstreiter von den Falkenseer „Socialists“ – Nachnamen werden hier ungern verraten – haben auf dem Rathausplatz am Denkmal der Opfer des Faschismus Position bezogen. Von weiteren Mitstreitern keine Spur, und statt der Wodkaflaschen kreisen Cola und Zitronenlimonade. „Auflage“ sagte Sebastian als Organisator schulterzuckend, die Versammlungsbehörde beim Landkreis hat Alkohol und Transparente verboten, auch das Campen auf dem Platz wurde nicht gestattet. Das verspricht eine kühle Nacht zu werden, und als es auch noch zu regnen beginnt, schrumpft das Häuflein kurzfristig auf zwei zusammen, die sich unter einem Schirm zusammendrängen. „Kein Wunder“, sagt Luise, „’ne Aktion ohne Musik, Alkohol und Transparente ist halt keine Aktion“, und Sebastian wärmt sich an der Erinnerung an letztes Jahr, als sie die Baracke des ehemaligen KZ-Außenlagers im Geschichtspark verhüllten. Ein dritter wendet ein, dass auch die Erinnerung an die Bücherverbrennung unter der Friedenseiche, deren Datum die Socialists recherchiert haben, ohne entsprechendes Schild „’bisschen schräg“ sei – „wie ein Museum ohne Erklärungstafeln“. Doch Auflage ist Auflage, Ordnungsstrafen mag hier niemand bezahlen, die linke Jugend protestiert und mahnt zur Not auch lautlos, frierend und mit Zitronenlimonade. Krawall überlässt man der Antifa, die allerdings, wie jemand einwirft, in Falkensee „eher ein Problem mit Alkohol als mit Nazis“ habe – der Mangel an Gegnern und Reibung schröpft offenbar nicht nur die Socialists. Die philosophieren derweil darüber, dass es in Falkensee eine gut organisierte Gegenöffentlichkeit gibt und Rechte daher kaum einen Fuß auf den Boden bekommen. Mit dem Himmel klart sich derweil auch die Stimmung im Protesttrio auf: Per Telefon melden drei Mitstreiter ihr Eintreffen an, und für 20 Uhr haben sich „Genossen von der Linken“ angemeldet.

Dann will Sebastian eine kurze Rede halten und etwas auf der Akustikgitarre spielen – trotz Musikverbots. Alles lässt er sich halt auch nicht verbieten. 24 Stunden, bis heute um 15 Uhr, soll die Mahnwache andauern. Die drei sind entschlossen, auszuharren. Mittlerweile brennen sogar die Kerzen. „Seht ihr, wird doch keine kalte Nacht“, ermuntert sich Luise und zieht den Kragen höher.

Erschienen am 03.05.2008

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