Was bleibt: Nebenerwerbe
Nun, da die Stadt dem Antikorruptionsverein Transparency beitreten will, müssen die Stadtverordneten ihre Haupt- und Nebeneinkünfte offenbaren. Das ist eine hübsche Sache, denn so erfahren wir, dass der Oberbürgermeister offenbar keinen Zweitjob hat und Groß Glienickes Ortsvorsteher Peter Kaminski nicht nur in Sachen Uferweg, sondern auch zum Broterwerb im Beschwerdemanagement tätig ist. Mindestens ebensoviel Einsicht verspräche es, wenn auch hochrangige Verwaltungsmitarbeiter sich auf diese Weise entäußerten. So würden wir uns nicht wundern, falls der Stadtplanungschef mit CDs und psychologischen Testverfahren seine kärglichen Beamtenbezüge aufmöbelte: Andreas Goetzmann ist ja einer, der auch in freier Rede zuwendungsbescheidreif formulieren kann, und er macht von dieser Fähigkeit hinreichend Gebrauch, gern mal untersetzt mit einer launigen Powerpoint-Präsentation, die mit kleinteiligen Tabellen und Zahlen so gespickt ist, dass selbst Adleraugen nach wenigen Minuten tränen. Wenn er zuvor dem Kaffee über die Maßen zusprach, bastelt Goetzmann auch mal eine neckische Illustration hinein: dann greifen die verschiedenen Faktoren bei der Standortanalyse zur Frage Sportbad oder Freizeitbad in lustige Zahnrädchen gesetzt ineinander. Auf seine Zuhörer hat dies einen außerordentlich ermüdenden Effekt, so dass sich in psychologischen Tests die Goetzmann-Minuten mittlerweile zum internationalen Standard für Aufmerksamkeitsdauer gemausert haben. Lediglich subalterne Mitarbeiter der Bauverwaltung und regelmäßige Besucher des Bauausschusses erreichen auf dieser Skala Spitzenwerte („Wahnsinn! Zwölf Goetzmann-Minuten! Haben Sie trainiert?“).
Dann wären da noch jene Selbsthypnose-CDs, die unter dem Label „Entschlummern mit Andy“ die schönsten Referate des Stadtplaners zu Bäderstandort, Entwicklungs- und Ergänzungskonzepten oder planungsrechtlicher Einordnung auf nur einer Silberscheibe versammeln. Ein Geschenk, das gerade in dieser, zur Besinnlichkeit angelegten Jahreszeit, jeden Gabentisch ziert. Besonders imponiert Goetzmanns Fähigkeit, fast ohne Senken oder Heben der Stimme eine 30 Folien umfassende Präsentation durchzuziehen und nicht mal am Ende den Stimmbändern Freilauf zu gewähren.
Seine baufachliche Befähigung bildet dessen ungeachtet die Kernkompetenz des Stadtplaners, vor der die Zweittalente im Zuge einer umfänglichen Gesamtschau verblassen. Das sieht auch sein Chef Matthias Klipp so, obgleich er kürzlich äußerte, wegen des städtebaulich verunglückten Bahnhofscenters demnächst ernste Fragen an seine führenden Mitarbeiter zu richten. Sollte dort der Konfliktfall eintreten, hat der noch beruflose Oberbürgermeister sicher Zeit, schlichtend einzugreifen. Oder er schickt den Kollegen Kaminski vor. Sie wissen schon: Beschwerdemanagement.
Erschienen am 03.12.2009