Nachschlag: Kardinalfehler: kaltes Fleisch
Gastronomie: Der Dönergrill am Bahnhof Babelsberg hat exotische Soßen und zivile Preise
Café, Kneipe, und Ausflugslokal, Spitzenrestaurant oder Döner – Mitarbeiter des Potsdamer Stadt- und Landkuriers sind als anonyme Tester unterwegs.
POTSDAM | Von draußen hat er’s ja schwer, der Dönerladen im Bahnhof Babelsberg: Nicht mal ein Name verrät seine Existenz, lediglich zwei gelbe Aufkleber in den Fensterscheiben – „Döner Drehspieß“ und „1/2 Grillhähnchen“ verraten, was einen drinnen erwartet. Die in den Aufklebern vorgesehenen Plätze für den Preis sind leer geblieben – nur ein einsames Komma trennt hier die fehlenden Euro von den abwesenden Cent-Beträgen. Er muss also innere Werte haben, der Döner, denn das Geschäft ist zu jeder Tages- und Nachtzeit gut frequentiert. Die Ladenfläche ist klein, und die zwei Zugänge – einer von der Straße, einer aus der Bahnhofshalle – sorgen dafür, dass man ständig im Weg steht. Immerhin wirkt alles leidlich sauber, und die Auslage präsentiert die frisch geschnittenen Salate sowie halbe und ganze Hähnchen, Buletten und Bratwürste. Die Rückwand über dem Thresen gehört der Preistabelle, die sich sehen lassen kann: Döner für 2,80 Euro, mit doppelt Fleisch für 3,80, Türkische Pizza und Dürümdöner (in der Teigrolle) für 3,30 Euro; das halbe Huhn für 2,60, das ganze für fünf Euro. Bratwurst und Buletten je 1,50, den Kaffee gibt’s für einen Euro, die anderen Getränke für 1,25.
Wir machen die Probe und ordern zwei Döner – einmal klassisch scharf („Hexensoße“), einmal exotisch: Currysoße und „Südsee“ sollen aufs Fladenbrot. Das hat am späten Nachmittag den Zenit seiner Fluffigkeit natürlich längst überschritten, weshalb der Brötchengrill zum Einsatz kommt. Kommen sollte, muss man sagen, denn es wird exakt zwei Sekunden zwischen die heißen Eisen gepackt, genauso gut hätte der Dönermann es auch dran vorbei tragen können. Dann die zweite Enttäuschung: Er macht den Döner-Kardinalfehler und schneidet das Fleisch nicht frisch herunter, sondern bedient sich mit der Zange beim schon abgekühlten, geschnittenen Fleisch am Fuße des Spießes, während es oben lecker und warm brutzelt. Unsere Nachfrage, ob wir frisches Fleisch haben könnten, ignoriert der Dönermann. Schade. Der Salat indes ist nicht nur frisch geschnitten, er schmeckt auch frisch. Die Currysoße ist außerordentlich spicy und verdient daher Lob, zumal sie nicht zu den Standards gehört. Gleiches gilt für die „Südsee“-Soße, in der wir allerdings vergeblich nach den angekündigten „exotischen Früchten“ gesucht haben. Sie schmeckt einigermaßen synthetisch, als habe sich hier ein Lebensmittelchemiker verwirklicht. Außerdem spart der Dönermann mit dieser Soße, auf die Frage, ob wir etwas mehr bekommen könnten, heißt es nur lakonisch „is teuer“. Das soll offenbar „nein“ bedeuten. Die Hexensoße im zweiten Döner hingegen lässt keinerlei Wünsche an Menge und Schärfe offen, wie die hervorquellenden Augen des Kosters belegen. Immerhin steht ausreichend Löschwasser zu moderaten Preisen zur Verfügung.
Erschienen am 17.09.2010