Zurückgelassener Protest

Politik: Knapp 40 Potsdamer demonstrierten gegen das Demonstrationsverbot entlang der Castorstrecke

Fast sah es so aus, als gäbe es mehr Polizisten als Demonstranten. Doch dann kamen noch ein paar – und ein Transparent.

POTSDAM | Es ist kalt an diesem ersten Novembersonntag. Mehr als 20 Polizisten und knapp zehn Journalisten treten rund um das Arbeitsamt auf der Stelle, um die Restwärme im Körper zu behalten. Sie sind kurz nach 14 Uhr in der Überzahl gegenüber den 20 Demonstranten, die grüppchenweise eintrudeln. Geplant ist eine größere Demo gegen den Castortransport und das Demonstrationsverbot im rund 160 Kilometer entfernten Gorleben. Rund 300 Potsdamer seien bei den Protesten vor Ort mit dabei, schätzt Linus Rumpf, Sprecher des Antikapitalistischen Aktionsbündnisses, das zur Demo gegen’s Demoverbot aufgerufen hat. Die schon Eingetroffenen diskutieren derweil die Menschenrechtslage in Birma und den Umstand, dass leider niemand ein Transparent dabei hat. Gegen 14.30 Uhr ist die Schar immerhin auf 30 angewachsen. Linus Rumpf greift zum Megaphon und verkündet, es seien schon mehr Demonstranten, als er erwartet habe, was dem Kamerateam des RBB ein lautes Lachen abfordert. Man müsse noch zehn Minuten warten, weil man jemanden angerufen habe, der ein Plakat hat, sagt Rumpf.
Zehn Minuten später ist es da, das Plakat, samt dem, der es hat, ökologisch korrekt auf dem Fahrrad herantransportiert. Es wird entrollt, ist eingerissen und ruft zum Kampf gegen das Patriarchat auf – daneben die Zeichnung eines Mädchens mit geballter Faust. „Ist wohl ein Allzweckplakat“, scherzt ein Polizist. Auf jeden Fall geht’s jetzt los, und der Demonstranten sind es mittlerweile 40. Auch das Megaphon kommt jetzt zum politischen Einsatz. „Im Wendland holt die Polizei den Knüppel gegen die Bevölkerung raus, um die Interessen der Stromkonzerne zu verteidigen“, sagt der Sprecher. Er erklärt auch, warum man sich vor dem Arbeitsamt am Horstweg traf: „Wir sind hier so nah, wie es nur geht, an der Zentrale der Bundespolizei.“ Viel näher wird’s aber auch nicht mehr, denn der Sprecher verrät auch, dass man nicht aufs Gelände der Bundespolizei dürfe, denn das sei „privat“. Unter dem Klicken der Kameras setzt sich die Gruppe in Bewegung. „Wenn Du die Augen zusammenkneifst, siehst es fast wie eine Demo aus“, sagt jemand. Die Demo endet nach wenigen hundert Metern am Eingang zur Bundespolizei. „Wer den Klimawandel bekämpfen will, muss den Kapitalismus in Frage stellen“, ruft Linus Rumpf noch ins Megaphon und fordert, den Protest gegen die Atompolitik der Regierung nicht zu kriminalisieren. Dann löst sich die Demo auf und geht nach Hause, um im Fernseher die wirklichen Proteste zu schauen.

Erschienen am 08.11.2010

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