Händler, Tiere, Ackerbürger
Freizeit: Hunderte strömten trotz mäßigen Wetters in die Nauener Altstadt – sehr viele sogar kostümiert
Sie haben kein Glück in diesem Jahr, die Nauener bei ihren großen Festen: War schon das Altstadtfest im Mai von dicken Wolken überschattet, so galt es beim Ackerbürgerfest, mit Schauern und kaltem Wind zu leben.
NAUEN Es gibt erhebendere Momente im Leben eines Zwölfjährigen: Max steht am „Hau-den-Lukas“, er legt alle seine Kraft in den Hammer, es ist der zweite Schlag, er beißt auf die Unterlippe, presst die Augen zu Schlitzen zusammen, lässt den Hammer krachen, doch nein: Der Zeiger geht nicht über die erste von fünf Stufen hinaus: „Bettnässer“ steht da, und das ist nicht erhebend, wenn man zwölf ist und die Mädels im Halbkreis drumherum stehen. „Stell dir vor, es wäre dein Lehrer“, sagt der Schausteller, und ja, doch, im dritten Versuch kratzt der Zeiger doch fast an der zweiten Kategorie „Flitzpiepe“. Dann sagt der freundliche Herr auch noch „Ich zeig dir das mal“, nimmt den Hammer wie ein Spielzeug über die Schulter, am Oberarm bauen sich Muskelpakete auf, es kracht, der Zeiger schießt durch bis „Yippie Yeah Schweinebacke“, schlägt die Glocke, der Mann patscht Max auf den Kopf und sagt: „Ist doch gar nicht so schwer.“ Sowas können nur Erwachsene sagen. Sie können grausam sein, selbst wenn sie es gut meinen.
Es ist voll beim 4. Nauener Ackerbürgerfest, der Martin-Luther-Platz quillt über vor Menschen, zeitweise geht es nur im Schritttempo voran, und das, obwohl das Wetter den Nauenern schon wieder nicht wohlgesinnt ist: Gelegentliche Schauer und kräftige Windböen fahren in die Menge, doch niemand lässt sich vertreiben.
Vielleicht liegt das auch an der Mühe, die sich viele Besucher gegeben haben: Wer so lange an seinem Kostüm geschneidert hat, will es nun auch zeigen. Zeitweise flaniert fast die Hälfte der Gäste im historischen Gewand über den Luther-Platz. Bei den Nauener Heimatfreunden steht eine elegante Dame mit Schirm und versucht sich im Hobelhalten: Mit ausgestreckten Armen muss der Langhobel so lange wie möglich in die Luft gehoben werden – es gelingt ihr fast anderthalb Minuten lang. Ein Zuschauer kommentiert „Die hat Übung mit der Pfanne!“. Niemand lacht. Ihr Begleiter – Frack, Kordhose, gewienerte Stiefel – versucht es ebenfalls, muss aber nach knapp einer Minute aufgeben.
Hinter der Kirche schlummern zwei Kälbchen um die Wette, während ihre Bäuerin die Plagen und Freuden der Milchviehwirtschaft schildert und berichtet, dass eine Kuh 90 Liter Wasser und 40 Kilogramm Futter pro Tag braucht, um 30 Liter Milch zu geben.
Überhaupt, die Tiere: Zwei Stände weiter hat sich ein Frettchen eingekringelt und schläft so selig, dass selbst die Stupser der Kinder durchs Gitter es nicht aus seinen Träumen reißen. In einer Seitengasse zeigt sich die Alpaka-Familie von Joachim Kuntzagk von ihrer besten Seite: Olivia und Caral stehen in unverhohlenem Elternstolz um ihren zwei Monate alten Nachwuchs Otello, der das Besucherinteresse mutig aushält und sich sogar mal ein, zwei Schritte von Muttis Seite löst.
Zwischendrin bindet immer wieder das Bühnenprogramm die allgemeine Aufmerksamkeit: Kinder der Tanzschule Amanda versuchen sich im Schwanensee, der Sportverein bringt eine Modenschau auf die Bühne, und um 18 Uhr ist das Theaterstück des „Stadtgeflüster e.V.“ ein Höhepunkt des Programms.
Doch auch mitten im Trubel ist’s unterhaltsam: Jongleure und Fakire mischen sich unters Volk, wer mag, kann sich im Bogenschießen üben, es gibt Getränke und Naturprodukte, die Kinder reiten auf Eseln, die Männer versuchen sich im Erbsenschlagen, es riecht nach Grillwurst, nassem Hund und Eselhäufchen, doch das gehört zum mittelalterlichen Flair.
Auf dem Rückweg versucht es Max noch einmal – er hat sich Tipps geben lassen. Er kommt bis „SoapStar“, Stufe drei. Immerhin.
Erschienen am 30.06.2008