Medien-Ethik in Europa
Prominente Journalisten diskutierten vor dem M100-Jugendworkshop
„Mein Beileid“, eröffnete Hans-Ulrich Jörges, Vizechef des „Stern“, „sie müssen sich jetzt stundenlang langweilige Debatten anhören. Doch gewöhnen sie sich dran: Das wird ihnen noch die nächsten 50 Jahre so gehen.“ Es war eine knackige Eröffnung des M100-Jugendmedien-Workshops, die der Ankündigung scheinbar widersprach. Und so lachten sie zunächst, die 35 Teilnehmer aus zwölf europäischen Ländern und Israel, die zur Podiumsdiskussion ins Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte gekommen waren. Die 18- bis 25-Jährigen erwartete ein Podiumsgespräch über „Ethische Richtlinien für Journalismus in Europa“. Jörges im Podium ist da eine gute Idee, denn er redet nicht nur zu allen journalistischen Themen in der Öffentlichkeit gern und ausdauernd, sondern meist auch bissig und daher unterhaltsam. Und so ging es dann los: Richtlinien seien schonmal schlecht, denn sie schränkten die Pressefreiheit ein, man spräche doch besser von ethischen Standards, ließ er die Runde wissen. Ehrlichkeit, Integrität und Unabhängigkeit seien die einzigen Rezepte, verkündete Jörges. Er erklärte das so, als sei nun alles gesagt und man könne endlich zum Buffet schreiten. Doch ein wenig reden wollten die anderen im Podium doch noch. Andrea Seibel, Vize-Chefin der „Welt“, erklärte, die Tendenz zur Unterhaltung sei gefährlich. Susan Neiman vom Einstein Forum warnte die jungen Teilnehmer davor, der verführerischen Berufskrankheit Zynismus zu verfallen („Guter Journalismus gehört in die Tradition der Aufklärung!“), und Joachim Huber, Ressortleiter Medien beim „Tagesspiegel“, fasste es pragmatisch: „Lügen Sie nicht, wenn sie wissen, dass Sie lügen!“ Dann kam wieder Jörges, der wusste, dass 80 Prozent der Journalisten ohnehin schon vom Weg abgekommen und den vielen Verführungen erlegen seien. Die Gesichter der Teilnehmer wurden während dieser Debatte immer leerer – wohl auch, weil sie nicht mitreden durften. Da war es gut, dass der Journalist Mathew D. Rose dazu riet, nie den Humor zu verlieren, obwohl der Journalismus in der Krise sei. Ein Rat, den etwa Hans-Ulrich Jörges schon seit Jahren befolgt.
Erschienen am 01.09.2007