Schimpffreudig
Jan Bosschaart über einen besonderen Volkssport im Herbst
Alle Jahre wieder kommt – der Herbst. Die Bäume entblättern sich, und mehr als nur eine Hand voll flotte Feger sind vonnöten, um den ehemals grünen, die nun gelbe, rote oder braune sind, zu zeigen, was eine Harke ist. Darauf könnte eine Ordnungsbehörde wohl vorbereitet sein. Dass die Bäume abschütteln, was sie noch vor kurzem kleidete, erfolgt mit so schöner Regelmäßigkeit, dass selbst der skeptischste Ordnungsamtsleiter durchaus nicht fehl darin geht, dem Phänomen den Charakter eines Naturgesetzes zuzubilligen. Glaubt man nun aber Volkes Stimme – und beim gemeinsamen Rechen vor der Haustür trägt Volkes Stimme weit in der klaren Herbstluft – so belegt schon jede Zusammenrottung von mehr als drei Blättern auf dem Asphalt mal wieder die völlige Unfähigkeit der Kommune, für Ordnung zu sorgen. Ja, da macht er sich gern Luft, der Bürger; der Begriff Herbststurm kommt nicht von ungefähr. Der Vorwurf indes geht fehl: Allerorten wird in den Bauhöfen zusammengetrommelt, wer nicht bei drei auf den kahlen Bäumen ist, und zum Dienst an der Harke verpflichtet. Dass selbst der emsigste Kommunalbedienstete nicht mit dem Laubsack unter jeder Linde stehen und herabsegelnde Blätter vor dem Auftreffen auf dem Asphalt abfangen kann, sollte da selbst dem schimpffreudigsten Bürger einleuchten.
Erschienen am 25.10.2008